Alphabet

Von der Globalisierung sind besonders einfache manuelle Tätigkeiten bedroht, diese lassen sich leicht in Billiglohnländer auslagern oder gleich von Robotern übernehmen. So steht es in den einschlägigen Berichten der Analysten; Kreativ- und Geistesarbeiten seien durch Automaten nicht zu ersetzen, heißt es ergänzend allerorten. Dass es sich hierbei um einen intellektuellen Selbstbetrug der schreibenden Zunft handeln könnte, ist einem Konzern mit dem sprechenden Namen Alphabet zu verdanken.

Das Technologieunternehmen Google hat sich im Herbst letzten Jahres eine neue Struktur gegeben und firmiert jetzt unter dem Dach der Holding Alphabet. Davon unberührt, läuft der Prozess der Entkopplung von Text und Autor unbeirrt weiter. So werden die Ergebnisse der hauseigenen Übersetzungsprogramme von Jahr zu Jahr besser, was schlicht mit dem Wachstum der dahinter liegenden Datenbanken zu tun hat. Auch das Produzieren journalistischer, wissenschaftlicher und literarischer Texte ohne Autoren ist keine Utopie mehr.

Der Erfolg der Internet-Suchmaschine Google beruht auf dem sofortigen Identifizieren der nachgefragten Schlagworte im Ozean der Dokumente. Dieses Prinzip wird auch beim Schreiben für das Internet genutzt resp. umgekehrt: Einzelne Reizworte tragen einen Artikel, um die herum die füllenden Sätze geschrieben werden. Titel, Legenden und Zwischenüberschriften werden in gleichem Geist verfasst, es entstehen standardisierte Grauwerte, die anheimstellen, dass die Nutzenden flüchtig lesen und ohnehin mehr auf Bilder als auf Worte reagieren.

Warum noch menschliche Redakteure beschäftigen, wenn ein Algorithmus deren Job schneller, billiger und präziser erledigen kann? Künftig bestimmt ein Operator die Länge eines Textes, definiert neben der Branche und dem Thema sein Genre und seine Tonalität, die Anzahl der Wörter pro Satz sowie gegebenenfalls seine politische Tendenz und gibt dem Rechner den Impuls zum personalisierten Output, optimiert auf das jeweilige Endgerät. Da Google vor Jahren damit begonnen hat, ganze Bibliotheken zu digitalisieren, ist ausreichend Referenzmaterial vorhanden.

Es gibt bereits Firmen, die auf Wunsch ihrer Kunden deren Rohdaten aus Zahlen, Grafiken und Kernwörtern zu softwaregeneriertem Inhalt machen. Der Schritt auf den Massenmarkt der Blogs, Foren, Plattformen und professionellen Portale ist da bereits mitgedacht. Diese Unternehmen könnten sich schon bald als Elemente im Alphabet-Universum wiederfinden. Steht doch dessen Name unmissverständlich für die Gesamtheit der lateinischen Buchstaben, die mithilfe künstlicher Intelligenz zu Sprachen und Geschichten komponiert werden können.