Andenken

Wie umgehen mit dem Verlust eines Menschen? In Todesanzeigen ist mitunter zu lesen, dass die Hinterbliebenen der Verstorbenen ein ehrendes „Andenken“ bewahren werden. Dabei hat das Andenken eine zweifache Bedeutung: Zum einen die eines Zeichens der Erinnerung (Lehnbedeutung aus dem französischen Souvenir; Begriff seit dem 13., Bedeutung seit dem 18. Jahrhundert), zum anderen die der Erinnerung selbst (heute überwiegend im religiösen Kontext gebraucht, wie der Kluge informiert).

Der Dornseiff spannt die Bedeutung des „Andenkens“ ausgesprochen weit: Er ordnet es dem Feld des Gedächtnisses zu (Erinnerung, Monument, Denkmal, Reliquie), dem Feld des Ruhmes (Auszeichnung, Glanz, Nimbus, Renommee) und schließlich dem Feld des Gebens (Aussteuer, Geschenk, Spende, Tribut). Diese sehr unterschiedlichen Klänge resp. Assoziationen sind geeignet, eine Brücke zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart zu schlagen, über die abwesende(n) Person(en) hinaus.

Der Kern des Andenkens ist das Denken, das sich verschoben wiederfindet in Worten wie Andacht, Gedenken oder Gedächtnis. Hier werden kraft der Gedanken Erinnerungen abgelagert, die über das Fehlende hinwegtrösten. Das kann über Briefe, Fotos, Musik oder Speisen geschehen, auch Orte und Gebete haben diese stiftende Wirkung. Oft kommen Rituale zum Einsatz, nach einem alten kulturellen Muster vollzogene Techniken, die das Vergangene vor dem Vergessen zu bewahren helfen.

Im Andenken kreuzen sich die profane und die sakrale Welt. Beschworene Erinnerungszeichen sind handfest, sie können über ihre spezielle Bedeutung hinaus Gegenstände des Alltags sein; die dank ihrer erlebte Rückbesinnung kann die Grenzen von Raum und Zeit punktuell überwinden. Dabei verblasst die Erinnerung ebenso, wie sie geschönt wird – wichtig ist ihr aktiver Vollzug. Das unvermutete, willkürliche Andenken hat eine besondere Kraft, ist es doch ein Gradmesser für die Intensität des Gewesenen.