Asterisk

Den Begriff des „Asterisk“ werden die wenigsten Menschen kennen, das so bestimmte Zeichen * wird ihnen hingegen häufiger unterkommen. Der Asterisk, also das Sternchen (in dem mit asterisch das Adjektiv sternähnlich steckt), findet sich auf jeder Computertastatur. Das Zeichen, das schon zu Bleisatzzeiten im Druck Verwendung fand, ist in den Worten des Schweizer Typografen Adrian Frutiger ein Referenzzeichen, das auf eine Erklärung am Fuße eines Textes verweist.

In der Diskussion um eine geschlechtergerechte Sprache genießt der Asterisk gegenwärtig eine Hausse; so diskutiert der Rat für deutsche Rechtschreibung, ob er die Verwendung des * für die Geschlechtsmarkierung in der geschriebenen Sprache empfehlen soll. Die Befürworterinnen des Asterisks argumentieren, bei der Pluralbildung mit dem * seien neben Männern und Frauen auch jene Menschen angesprochen, die sich im polaren Geschlechterfeld nicht wiederfänden: „Freund*innen“ schlössen Transgender und Intersexuelle ein.

Damit geht der Asterisk über das seit Jahrzehnten in links-alternativen Kreisen verwendete Binnen-I hinaus, das männlich und weiblich in einem Wort vereint: „FreundInnen“. Er verfolgt das gleiche Ziel der Sichtbarmachung einer Minderheit mit schriftlichen Mitteln wie der Unterstrich („Freund_innen“), auch hier klafft eine Lücke im Wort, die den Lesefluss eines längeren Textes verlässlich hemmt. Zudem ist hier wie da die richtige Aussprache des erweiterten Wortes nicht geklärt.

Der Einsatz des * rührt zum einen aus der akademischen Geschlechterforschung, zum anderen aus der Subkultur des Transgender-Aktivismus her. In beiden Milieus wird der Asterisk seit rund zehn Jahren zur Benennung des nicht Vorgesehenen verwendet, nun kommt er im Vokabular der Publikumspresse und der Verwaltung an. So suchen Unternehmen bei der Stellenausschreibung in vorauseilendem Gehorsam vor dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz AGG nach „eine*m Redakteur*in (m/w/x)“, Universitäten befleißigen sich der Verwendung des defensiven Partizips der „Studierenden“.

Wer heute den Asterisk * beim Schreiben einsetzt, zeigt eine politisch korrekte Gesinnung der Inklusion und demonstriert eine Code-Kompetenz, die die Grenzen der Orthografie, der Grammatik und des Stils lässig ignoriert. Das generische Maskulinum („Freunde“) darf nicht länger beanspruchen, reale geschlechtliche Unterschiede sprachlich aufzuheben, sondern steht im dringenden Verdacht, diese zu verwischen; das Geschlecht der gemeinten Person scheint wichtiger als diese selbst zu sein.

Die Debatte um eine gendersensible Sprache trifft das Deutsche mit seinen drei Genera und seinen vier Kasus besonders hart, eine konsequente Benutzung des * bei jedem mehrdeutigen Substantiv wird den Text lautmalerisch zersetzen. Neben einem fehlenden Sinn für Ästhetik fällt bei der Auseinandersetzung um den Asterisk der hohe moralische Ton des Besserwissens auf; auch wird geflissentlich übersehen, dass die Neuformierung der sprachlichen Repräsentation an den geschilderten Kontexten und Machtverhältnissen der Geschlechter nichts ändert. Auch wenn es schmerzt: Die Welt ist sicher Materie wie Geist, aber kein Text.

Die Sprache ist ein lebendiges Ensemble, das sich über die Jahrzehnte evolutionär ändert; jede Neuauflage eines Wörterbuches nimmt neue Lemmata auf und streicht alte, auch können sich die jeweiligen Bedeutungen verschieben. Der Siegeszug des # und des @ sowie der Emoticons in der digitalen Kommunikation zeugt davon, dass Sprache mehr ist als die Kombination der 26 lateinischen Buchstaben, der zehn arabischen Ziffern und diverser Satzzeichen. Die historische Typografie des Zarathustra mutet heute beim Lesen altbacken an wegen des Genitiv-Apostrophs, des Dehnungs-H und der Hervorhebung durch Sperrung – seine Gedanken haben an Witz und Frische kaum eingebüßt.

Die Zeit wird zeigen, ob sich der Asterisk im Prozess der Geschlechtergerechtigkeit bewähren wird, ob die Irritation beim Lesen durch einen Zugewinn an Präzision der Bezeichnung verschmerzt werden kann. Bislang kommt das * als eine intellektuelle Spielerei daher, die die Zugehörigkeit zu einer rhetorischen Avantgarde ausdrücken soll. Wenn es heute lediglich eine Mode ist, wird es schon morgen im Museum hängen. Vielleicht die passende Perspektive eines Zeichens, das als schriftliches Stoppschild wahrgenommen wird.