Die „Beichte“ zählt zu den sieben Sakramenten, die die katholische Kirche für die Gläubigen bereithält. Wahrscheinlich ist sie das am schwierigsten zu verstehende Heilsangebot für die Seele, da sie das Gespür für das eigene Verfehlen voraussetzt und zugleich fördert – und das in einer Welt, in der die Menschen tendenziell meinen, man habe ihnen unrecht getan, sie seien im Leben zu kurz gekommen.
Die Beichte weist eine inhaltliche Nähe zum (juristischen) Geständnis wie zum (religiösen) Bekenntnis auf und geht mit der Bitte um Entschuldigung über beide hinaus. Publik gemacht, beschämt sie den Delinquenten. Sie kann mit dessen Wiederaufnahme in die Gemeinschaft enden, aber auch mit seiner sozialen Vernichtung – je nach Schweregrad des Vergehens und dessen Reue.
Jede katholische Messe beginnt mit dem Kyrie eleison, dem allgemeinen Sündenbekenntnis. Während der am heutigen Aschermittwoch eingeläuteten Fastenzeit gewinnt die Beichte, auch Sakrament der Buße und Versöhnung genannt, an besonderer Bedeutung, stehen die sechs Wochen bis zur Feier der Osternacht doch im Zeichen der Umkehr.
Die Sünde als theologischer Begriff ist auf Gott bezogen; dieser bezeichnet die Schuld des Menschen, insofern sie das Verhältnis zu Gott und seiner Schöpfung stört. Die Vergebung der Sünden durch deren Beichte erlaubt den befreienden Neuanfang: Umwege erhöhen die Ortskenntnis, der Glaube wird gestärkt.
Dass Schuld und Sünde zum menschlichen Dasein gehören, demonstriert die Heilige Schrift an vielen Stellen. Besonders eindringlich ist die Erzählung der Ehebrecherin, die eine aufgebrachte Menge steinigen will. Jesus, dem der Fall zur Prüfung vorgelegt wird, sagt jedoch: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als erster einen Stein auf sie.“ (Joh 8,7) Der Mob trollt sich betreten, in peinlicher Einsicht des eigenen Hochmuts.
Als Richtschnur für gottgefälliges Handeln können der Dekalog (Ex 20,1-17) und die Bergpredigt (Mt 5,21-48) gelten. Die Beichte avanciert zum Mittel zur Ausbildung eines Gewissens, das weitere Sünden verhindern möge. So vorsätzlich der Mensch zur Schuld fähig ist, so frei ist er zur Wiedergutmachung; diese kann durch Fasten, Beten und Almosen unterstützt werden. Eine Strafe kennt das Sakrament nicht; der Priester muss unter allen Umständen über das Gehörte schweigen, selbst wenn das Gebeichtete strafrechtliche Konsequenzen hat.
Das alttestamentarisch grundierte Konzept der Erb-Sünde, das im Christentum eine Konkretion erfährt, stammt aus einer Zeit, in der religiöse Gebote auch soziale waren – Gott ist der absolute Gesetzgeber und Richter, die Menschen werden sakral wie profan schuldig. In der heutigen Welt, die die Sphären der Religion und der Justiz begrifflich und strukturell unterscheidet, bleibt die gemeinsame Wurzel erhalten. Der göttlichen Vergebung kommt das menschliche Verzeihen gleich.
Im Sakrament steckt das lateinische sacer = heilig, einem Gott gewidmet. In der säkularen Welt lebt die Beichte in der Psychoanalyse (privat, verborgen) und während der TV-Talkshows (öffentlich, inszeniert) weiter. Die Sehnsucht nach moralischer Erleichterung ist offensichtlich kein Privileg des christlichen Glaubens. Allerdings hat die katholische Kirche hilfreiche Riten etabliert, die das Archaische in die Gegenwart integrieren und den Gläubigen den Schauer der Gnade über die Freisprechung erlebbar machen. Keine Schuld wiegt so schwer, als dass sie nicht vergeben werden könnte. Welch ein Geschenk.