Das Schöne an einer Diskussion ist der Austausch von Argumenten, die zu einer differenzierten Meinung führen. Dabei ist die geäußerte Ansicht zu einem Sachverhalt allein gar nicht entscheidend; es ist meist viel reizvoller zu sehen, warum jemand dieses oder jenes vertritt, was ihn resp. sie dazu gebracht hat, für die eine und nicht die andere Haltung zu optieren.
Die routiniert benutzte Floskel „Das muss jeder für sich selbst entscheiden“ unterläuft diese rhetorische Vereinbarung, sie stammt aus dem Reich der Meinungslosigkeit, tarnt sich aber als besonders großzügig. Der Hinweis auf die Entscheidungsnotwendigkeit der Einzelnen beendet eine Diskussion gerade dann, wenn im Sinne der Dialektik These und Antithese aufgeworfen sind und es an die Synthese geht. Stattdessen: Sackgasse, Vorhang, Sendeschluss.
Wer bekannt gibt, dass jeder für sich selbst zu entscheiden habe, entzieht sich einer Meinung und weicht einer Auseinandersetzung um ihre Begründung aus. Nur scheinbar schwingt in jener Phrase Respekt vor anderen Haltungen mit; tatsächlich offenbart sich die heimliche Angst, einer Präzisierung im Laufe einer Debatte nicht gewachsen zu sein. An einer Synthese sind nämlich nur solche beteiligt, die sich auch äußern – und nicht jene, die sich lieber auf Leerformeln beschränken.