Was für eine Premiere! Der Präsident der Republik kündigt ein halbes Jahr vor Ablauf seiner Amtszeit in einer Fernsehansprache an, nicht für eine zweite Legislatur zu kandidieren. Eine solche Demission ist in der Geschichte der V. Republik einmalig, ja in der Geschichte der modernen Demokratie überhaupt. Frappierend François Hollandes Begründung: Er sehe nicht, wie er die zerstrittene Linke im Wahlkampf hinter seine Person bringen könne, geschweige denn die Bevölkerung, in der er historisch miserable Umfragewerte erleidet.
Der Larousse übersetzt „démission“ mit Preisgabe oder Kündigung, der Dornseiff stellt die „Demission“ in die Nachbarschaft der Abdankung und des Abschieds. Hollandes medial bedingter Rücktritt hat von all dem etwas, er scheint resigniert im Zeichen des unausweichlichen Desasters. Der Präsident, dessen Machtfülle in einer Demokratie ohnegleichen ist, macht nicht den Eindruck, als könne er alle Kräfte mobilisieren, um seinen Verbleib im Elysée zu wahren – und das in einer Zeit, in der Prognosen zur computergestützten Kaffeesatzleserei verkommen.
Vor viereinhalb Jahren kam Hollande als Verlegenheitskandidat der Sozialisten ins Amt, nachdem Dominique Strauss-Kahn wegen der Vergewaltigungsvorwürfe politisch zerstört war. Im Inland gelang es ihm nicht, die Arbeitslosigkeit wirksam zu bekämpfen, die seit Jahren schwelenden Probleme mit den Muslimen in der Banlieue wurden chronisch. Außenpolitisch gab es im Krieg in Syrien nicht einmal die Aussicht auf einen Frieden, in der Flüchtlingskrise Europas mauerte Hollande im Konzert seiner Kollegen gegen Deutschland.
Speziell französisch ist die Bedeutung der B-Note eines Politikers. François Hollande entbehrte jeden Glanzes, er wirkte ungelenk und bieder, bar jeden Stils. Und das vor einer pompösen Kulisse, die das regierende Personal zur eitlen Pose geradezu auffordert. Zum Start seiner Präsidentschaft hatte er noch Aufbruch, Reform und Wandel verkündet, doch schnell agierte er kleinlich und besetzte wie seine Vorgänger wichtige Posten in Kabinett und Bürokratie mit Zöglingen der École nationale d’administration, der Kaderschmiede des Beamtenadels.
Im Zuge der islamistischen Terroranschläge 2015 und 2016 rief er lauthals den Ausnahmezustand aus, ohne den Franzosen eine weitergehende Vision zu bieten, wie sie die Gewalt aus ihrer Mitte überwinden könnten. So ist der Wahlmonarch der V. Republik gescheitert, einzig seine Demission (zu der ihn freilich sein Premierminister, der selbst ins höchste Staatsamt giert, gedrängt hat) geriet ihm zum souveränen Akt. Er verlässt die Bühne, bevor ihn das Publikum vom Hofe jagt. Wenigstens die Guillotine bleibt ihm erspart.