Der Rest ist Googlen

Das Leben ist so reichhaltig und voller Fragen – bei einer sinkenden Zahl von Antworten. Wie ist das möglich? Es liegt mal wieder am Internet, genauer an der Suchmaschine mit der weltweit marktbeherrschenden Stellung. Wer im Kollegen- oder Freundeskreis eine beliebige Frage nach einer Person, einem Datum oder einem Ort stellt, bekommt heute die Antwort „Schau doch mal bei Google nach!“, ganz so, als sei diese Replik bei der Sprecherin standardmäßig eingestellt.

Das Verstörende des Hinweises auf Google liegt weniger in seinem Quasimonopol, vielmehr im damit einhergehenden Denkverzicht. Die Frage in die Runde zielt ja auf Diskurs, möglicherweise auf Auseinandersetzung. Das geht aber nur, wenn Wissen in einem längeren Prozess lustvoller Anstrengung erworben wurde. Vor der Entwicklung der Schrift musste das zu tradierende Wissen im Hirn gespeichert werden, bevor es an die nächste Generation weitergegeben wurde. So kam es, dass in oralen Kulturen alte, erfahrene Menschen in hohem Ansehen standen, hatten sie doch einfach mehr Zeit als jüngere, Wissen sich anzueignen. Die Schrift nun dehnt das Gedächtnis kolossal aus, sie erlaubt das Festhalten von Wissen auf Papier, in Büchern und Bibliotheken, wo es ruht und wartet und potenziell allen des Lesens kundigen Menschen zugänglich ist.

Google übernimmt nun zusehens diese Funktion des Wissensvorrats, die dem Speichern von Daten und Fakten auf einer externen Festplatte gleichkommt. Das Gehirn verkommt dergestalt zum Arbeitsspeicher, in den fallweise Informationen aus der Cloud geladen werden, in der sie nach der Benutzung folgenfrei wieder versinken. Und was passiert zwischenzeitlich mit den brachliegenden Hirnarealen? Mit der Beantwortung überzeitlicher Fragen wie etwa der nach dem Sinn des Daseins oder der nach einer richtigen Lebensführung werden sie sich kaum beschäftigen – denn dazu gibt es doch sicher auch etwas von Google.