Der_Unterstrich

Sprache bildet nicht nur Realitäten ab, sie schafft auch welche. Es ist ein Unterschied, ob von den „Freunden“ die Rede ist oder von den „Freundinnen und Freunden“. Die im ersten Fall mitgemeinten Frauen gehen unter, im zweiten Fall stehen sie gleichberechtigt neben den Männern. So weit, so gut, so einfach.

Die politisch korrekte Pluralbildung ist auf Dauer umständlich, deswegen hat sich im links-alternativen Milieu das Binnen-I etabliert: Dort heißt es dann „FreundInnen“, zumindest in der geschriebenen Sprache werden Männer und Frauen in einem Wort aufgehoben. Doch damit nicht genug; die jüngste Entwicklung auf dem Feld der sprachlichen Kreation geschlechtlicher Verhältnisse ist der Unterstrich, neudeutsch auch gender gap genannt. Die „Freund_innen“ schließen neben den Männern und Frauen auch jene Menschen ein, die sich im polaren System der zwei Geschlechter nicht repräsentiert sehen.

Das Anliegen erscheint berechtigt, allein die Lösung ist missraten. Beim Lesen stolpern die Interessierten (ein Beispiel einer defensiv neutralen Pluralbildung) über die Lücke zwischen Mann und Frau, die der Unterstrich markiert – aber eben auf Kosten des Leseflusses. Das Manko des Unterstriches ist seine Herkunft als Sonderzeichen, nicht als Buchstabe. Dergestalt werden längere Texte mit hässlichen Löchern versehen, die gut gemeinte Absicht schlägt um in eine Dauerirritation. Es bleibt – aus Liebe zur Sprache – zu hoffen, dass typografisch wie ästhetisch befriedigendere Vorschläge gemacht werden.