Dieselgipfel

Eigentlich war es nicht anders zu erwarten. Der mit viel Tamtam angekündigte „Dieselgipfel“ im Zuge der jahrelangen Täuschung der deutschen Autobauer bei der Messung des Ausstoßes an giftigen Stickoxyden blieb nahezu folgenfrei für die Industrie – während die gesundheitsschädlichen Emissionen die Menschen weiter treffen, schließlich kommen sie ums Atmen nicht herum.

Ein weiteres Mal hat die Bundesregierung, diesmal in Gestalt des Ministers zum Schutz der heimischen Autoindustrie, demonstriert, dass sie die großen Autokonzerne für sakrosankt hält, egal, was diese tun. Während deutsche Gerichte mittlerweile Fahrverbote in den besonders belasteten Großstädten im Sinne des Gesundheitsschutzes für sinnvoll halten, stellt sich die Regierung taub.

Umweltmediziner und Public-Health-Fachleute waren erst gar nicht geladen, Vertreter*innen von Non-Profit-Organisationen ohnehin nicht. So geriet der Dieselgipfel zum Pausenfüller im Sommerloch, zur Lobbyshow der Autoindustrie, die verkündet, mit einer leicht geänderten Software lasse sich das Problem locker beheben. Mission erfüllt, weiter fahren wie gewohnt.

Die Deutschen schauen ja gern herablassend auf die Amerikaner, wenn sie über deren pathologisches Verhältnis zum Waffenbesitz sprechen. Dabei weisen sie selbst die gleiche irreal verzerrte Haltung auf, wenn es um das Auto geht. Das Land erstickt im Stau, der Motorlärm ist als krankmachend identifiziert, der Flächenfraß zugunsten der Blechkisten kolonialisiert die Städte – und die Absatzzahlen für große Neuwagen steigen weiter an, in China wie hierzulande.

Der Hauptvorwurf an die Regisseure des Dieselgipfels lautet, dass sie es versäumt haben, ernsthaft nach der Mobilität von morgen zu fragen. Erdöl ist endlich, der asphaltierte Raum ebenso. Doch die steuerliche Privilegierung des Diesel-Treibstoffes wird ebenso wenig diskutiert wie das politische Forcieren der E-Mobilität. Vom Ausbau von Fahrradstrecken, Alternativen des Car-Sharing oder der Verbesserung der Attraktivität des ÖPNV zu schweigen.

Wie unterwürfig verhalten sich die Regierenden in Bund und Ländern gegenüber den Kriminellen in den Zentralen, die mit dem Totschlagargument der Arbeitsplätze, die den Wohlstand der Exportnation sichern, jede Kritik an ihrem systematischen Betrug abwehren. Wie feige gebärden sich die Koalitionsparteien wenige Wochen vor der Bundestagswahl, übererkennbar ist das Bestreben, bloß die Autofahrer und Wähler nicht zu verschrecken, daher ihr beredtes Schweigen.

Der Dieselgipfel ist ein blamabler Tiefpunkt in der schleppenden Debatte um ein dringend benötigtes Verkehrskonzept für das 21. Jahrhundert, er schreibt die autogerechte Welt der 1960er Jahre munter fort; so gesehen, ist er ein heißer Kandidat für das Unwort des Jahres 2017. Und eine belastbare Antwort auf die ewige Frage, was denn nun „typisch deutsch“ sei.