Doping

Wer heute über Leistungssport redet, kann zum Doping nicht schweigen. Das zeigen die Olympischen Sommerspiele in Rio de Janeiro, die noch vor der offiziellen Eröffnung vom prinzipiellen (und folgenfreien) Staatsdoping Russlands erschüttert werden. Der Begriff des „Dopings“ kommt aus dem Englischen und meint die illegale Leistungssteigerung eines Organismus im Spitzensport mittels Medikamenten. Wörtlich steht to dope für „anregen“ oder „aufputschen“, seit etwa 1950 wird es mit pharmazeutischer Manipulation im Leistungssport identifiziert.

Anfang des 20. Jahrhunderts wurde to dope in den USA noch mit dem „Übergießen“ einer Speise übersetzt, bevor die minimal kokainhaltige Brause Coca Cola zum Synonym für Dope wurde. Die Wurzel des Begriffs liegt dem Kluge nach im Niederländischen, wo Doop die „Taufe“ ist. Die christliche Vorstellung, dass ein Mensch durch die Taufe ein anderer werde, lebt im Doping weiter, wenn ein Sportler durch die Zufuhr leistungssteigernder Substanzen seine physiologischen Grenzen überschreitet, einen Wettkampf gewinnt und dergestalt zu Geld und Ehren gelangt.

Allen Beteuerungen zur Chancengleichheit zum Trotz (auch das Internationale Olympische Komitee IOC hat sich pro forma zu einer Null-Toleranz-Politik verpflichtet), ist die Bereitschaft ehrgeiziger Athleten zu systematischem Betrug vorhanden. Die Karrieren sind kurz, es steht viel Geld auf dem Spiel, die Kontrollen sind lasch, die Konkurrenz macht es ebenfalls. Dieser Logik folgend, hat ein von einem aggressiven Hodenkrebs genesener Radprofi ein bis dahin nicht gesehenes Dopingprogramm in die Tat umgesetzt, unter langjähriger Mithilfe von Trainern, Funktionären und Ärzten.

So halsbrecherisch ein solches Vorgehen erscheinen mag, so milieukonform ist es auf den zweiten Blick. Der Spitzensport, der vor allem am Bildschirm sein Publikum findet, ist längst Teil der globalen Unterhaltungsindustrie geworden. Seine Protagonisten sind grenzüberschreitend verehrte Ikonen und werden ähnlich obszön bezahlt wie Popmusiker und Schauspielerinnen aus Hollywood. Der Wettkampfsport ist das archetypische Kondensat einer Leistungsgesellschaft, die den Sieger feiert, den Verlierer verhöhnt und den Weg zum Erfolg ausschließlich dem eigenen Willen zuschreibt.

Fragen nach Fair Play und Transparenz stören da nur. Das IOC, das mit der Olympiade das größte und teuerste Sportfest des Planeten organisiert (und vom jeweiligen Ausrichter auf eigenes Risiko bezahlen lässt), firmiert als Markenagentur, die die Übertragungsrechte der Körperschau weltweit für Milliarden Dollar verkauft. In seinem Zynismus geht das IOC so weit, das des Staatsdopings überführte russische Team nicht zu sperren – es begibt sich der Chance, ein leuchtendes Zeichen zugunsten der Gesundheit der Sportler zu setzen. Der Kalte Krieg im Stadion lebt wieder auf.

Auch wenn in den Ländern des Nordens die Skepsis gegenüber dem kommerziellen Spektakel wächst und sich autoritäre Schwellenländer als Kulisse bewerben, wird Olympia am globalen Markt ausreichend Aufmerksamkeit erregen. Austrainierte erotische Leiber in Bewegung inszenieren Attraktivität, Macht und Schönheit. Junge Menschen eifern ihren Idolen nach und ersehnen im Alltag einen Abglanz ihres Ruhms. Der Sport gibt massive Impulse für eine Kultur der Selbstoptimierung – nur konsequent, dass zu den Premiumsponsoren der Olympischen Spiele Coca Cola gehört.