Die Sprache ist ein lebender Organismus, der dauernd neue Wörter prüft und absorbiert, zum Standard gewordene Wörter pflegt und verbreitet und aus der Mode gekommene Wörter ablegt und ausscheidet. Schrittmacher dieser Evolution ist meist der wissenschaftlich-technische Fortschritt, der parallel zu neuen Produkten und Dienstleistungen passende Termini kreiert und diese via Nischenjargon in den breiten Fluss der Sprache einspeist. Manche haben eine kurze Konjunktur, andere behaupten sich dauerhaft.
Das schöne Wort „fernmündlich“, das Thomas Mann höchstselbst hätte schaffen können, steht definitiv auf der Liste der vom Verschwinden bedrohten Begriffe. Den Einzug in die Umgangssprache hat es nie geschafft, es blieb auf die Welt der Behörden mit ihren Erlassen beschränkt. Die einschlägigen Lexika weisen es als Synonym für „telefonisch“ aus. Das griechische Präfix „tele“ findet sich im Bedeutungskomplex „fern“ wieder, aus der griechischen Silbe „phon“ für Klang wird im Deutschen hier etwas überraschend der Mund.
Beim „fernmündlichen“ Gespräch hat man einen Menschen vor Augen, der aufrecht vor einem fest montierten Apparat steht, die Hörmuschel am Ohr und den Mund vor einem Sprachtrichter. Jahrzehnte später wurden Hören und Sprechen in einem Element des Telefons integriert, das selbst aber stationär blieb. Der Schall überwand die Weite, getragen über elektronische Impulse. Das ist im Prinzip noch heute so, nur dass die Instrumente Laufen gelernt haben. Mit dem variablen Standort der Telefonierenden ändert sich auch die Distanz der Sprechenden, aus einem „fernmündlichen“ kann durchaus ein naher, wenn auch durch ein Gerät vermittelter Kontakt werden. Der antiquiert anmutende Terminus ist ein Nachhall aus einer Zeit, in der Telefonate etwas Seltenes waren und obendrein unterteilt wurden in Orts- und Ferngespräche – ein Unterschied, den heutige mobile Geräte digital aufheben.