Der Begriff der „Hierarchie“ wird allgemein im Zusammenhang mit Organisationen verwendet, speziell im Kontext des Berufs und der Karriere. In Stellenanzeigen und Arbeitsplatzbeschreibungen wird gern das Adjektiv „flach“ vorgeschaltet, um den Bewerbenden zu signalisieren, dass sie ein großer Handlungsspielraum bei geringer Kontrolle und hoher Eigenverantwortung erwartet. Die Rangfolge, so ließe sich „Hierarchie“ am besten übersetzen, wird als im Grunde vernachlässigbar, als eine rein bürokratische Stellgröße verharmlost.
Denn selbstredend funktionieren Unternehmen über Hierarchien, da es anders gar nicht zu verbindlichen Entscheidungen und deren Folgen käme. Der Kluge leitet die Hierarchie aus dem griechischen hierarchía, dem Amt des Priesters ab; in ihm stecken hierós als heilig und árchein als herrschen. Der Dornseiff stützt diese Etymologie, indem er die Hierarchie den Bedeutungsfeldern der Ordnung, des Herrschens und des Priesters zuweist. Zunächst auf den kirchlichen Bereich beschränkt, ist seit dem 18. Jahrhundert auch in weltlichen Dingen von der Hierarchie die Rede.
In der Kommunikation über Unternehmensführung überdauern neben militärischen Vokabeln (etwa dem Chief Executive Officer CEO) auch religiöse; beiderlei Herkunft verweist auf einen unbedingten Gehorsam, der dem General resp. dem Bischof und heute dem Manager zu schulden ist. Bei Jahreshauptversammlungen oder Produktpräsentationen lassen sich Analogien zum Befehl als auch zur Predigt ziehen: Der Chef steht herausgehoben auf der Bühne oder am Rednerpult (dem Ambo der katholischen Kirche), eine Aussprache über das Gesagte im Plenum ist nicht vorgesehen. Allein das Amt legitimiert die Botschaft.
Dieses Führen über Funktionen ist auch auf den mittleren und unteren Stufen der Leiter zu beobachten. Dabei darf ihr Faktor für die Stabilisierung des Gefüges nicht unterschätzt werden: „Hierarchien verringern, anders gesagt, die Kosten der Konfrontation mit Ungewißheit“, konstatiert der Systemtheoretiker Niklas Luhmann. Wer weiß, wo sein Rang im Unternehmen ist, kann eigene und fremde Zuständigkeiten besser identifizieren. Das Gerede von der flachen Hierarchie, das bei Start-ups und anderen Internetbuden so inflationär beliebt ist, suggeriert eine Nähe zu Vorgesetzten, verschleiert aber die Machtverhältnisse in der Firma.