Jubel

Der „Jubel“ ist ein Ausbruch der Freude, der Begeisterung und der Erleichterung, der meist in und mit der Masse vollzogen wird. Diese lässt sich kollektiv gehen, schreit, weint, lacht und stöhnt mit einer Stimme. Bei der gerade laufenden Fußball-WM in Russland lässt sich anschaulich verfolgen, wie sich nach einem Tor Anspannung und Bangigkeit lösen, wenn fremde Menschen im Stadion einander in die Arme fallen.

Das Verb „jubeln“, seit dem 13. Jahrhundert im Mittelhochdeutschen ansässig, kommt vom altfranzösischen jubiler (= jauchzen), das wiederum vom lateinischen jubilum, dem Freudenruf der Hirten und Jäger stammt. Eine wesentlich ältere Quelle verweist auf das hebräische jovel (= Widderhorn), mit dem nach mosaischem Gesetz das „Jubeljahr“ eingeläutet wird. Dieses ist alle 50 Jahre zu feiern und trägt bereits den Charakter christlicher Umkehr und Vergebung in sich: Die Israeliten werden aufgerufen, die Feldarbeit ruhen zu lassen, einander die Schulden zu erlassen, einheimische Sklaven freizulassen und verkauften Boden zurückzugeben.

Unter Lev 25,8-10 heißt es: „Du sollst sieben Jahreswochen, siebenmal sieben Jahre, zählen; die Zeit von sieben Jahreswochen ergibt für dich neunundvierzig Jahre. Im siebten Monat, am zehnten Tag des Monats, sollst du das Signalhorn ertönen lassen; am Versöhnungstag sollt ihr das Horn im ganzen Land ertönen lassen. Erklärt dieses fünfzigste Jahr für heilig, und ruft Freiheit für alle Bewohner des Landes aus! Es gelte euch als Jubeljahr. Jeder von euch soll zu seinem Grundbesitz zurückkehren, jeder soll zu seiner Sippe heimkehren.“ Die Menschen sind gehalten, ihre Streitigkeiten zu vergessen und Gott, dem Herrn zu danken.

Papst Bonifatius VIII. rief 1300 in einer feierlichen Bulle erstmals das kirchliche Jubeljahr aus, das alle hundert Jahre wiederkehren sollte und den Gläubigen bei einer Pilgerfahrt nach Rom vollkommenen Ablass ihrer Sünden zu gewähren versprach. Die Ewige Stadt wurde seinerzeit von angeblich zwei Millionen Pilgern heimgesucht, zu verführerisch war die Aussicht der umfassenden Lossprechung. Der Abstand wurde von späteren Päpsten auf 50, dann auf 33 und schließlich 25 Jahre verkürzt. Heute meint die Wendung „alle Jubeljahre“ so viel wie „höchst selten“ und „kostbar“, getränkt mit Bedauern über das rare Erscheinen.

Der Dornseiff postiert den Jubel nahe zu Ekstase, Rausch und Taumel; in religiöser wie erotischer Hingabe drängen starke Emotionen der Überwältigung, die von körperlicher Verzückung begleitet werden, zur Entladung. Genau deswegen dürfen sich erwachsene Männer im Jubel über ein Tor auf dem Fußballfeld orgiastisch abküssen und ihre definierten Leiber rhythmisch aneinander reiben, ohne in den Ruch der Homosexualität zu geraten. Der Kontext des Sports erlaubt die inszenierte Entgrenzung und feiert sie mit dem Publikum auf den Rängen. Der Moment der Freiheit möge ewig dauern.