Mit dem heutigen Palmsonntag beginnt für die Christen weltweit die Heilige oder auch Karwoche, die im Karfreitag und der Osternacht kulminiert; die vierzigtägige Fastenzeit als Vorbereitung auf das höchste Fest der Christenheit geht damit dem Ende entgegen. Jesus zieht nach seinem Wirken als Wanderprediger auf einem Esel in Jerusalem ein, wo seine Passion (vgl. Mt 26,1-27,56) unmittelbar bevorsteht.
Das ist wörtlich zu nehmen, denn ein entfesselter Mob fordert vom römischen Statthalter, Jesus ans Kreuz zu schlagen, zu jener Zeit eine besonders grausame und demütigende Folter resp. Hinrichtung. Während des Paschafestes wird Jesus verhaftet und zum Tode verurteilt. Im Karfreitag, der Stunde seines Todes, stecken das althochdeutsche kara, das germanische karo und das englische care, Sorge resp. Kummer meinend.
Liturgisch markiert der Karfreitag den Nullpunkt des christlichen Glaubens. Gottes Sohn, der sich als Mensch auf die Erde begibt, um Wunder zu tun und Liebe zu predigen, sein Kreuz auf sich nimmt und sich quälen und ermorden lässt, um in der folgenden Auferstehung seine Macht über Leben und Tod zu demonstrieren – einen solch geheimnisvollen Einbruch des Heiligen in die profane Welt kennt keine andere Religion.
Die Abbilder des Erlösers in der Kirche sind mit dem Palmsonntag verhüllt, sie verweisen auf die Abwesenheit Jesu Christi im Zeichen seines Sterbens. Am Karfreitag schweigen Orgel und Glocken, gibt es keine Eucharistie, werden Klagelieder gesungen; die Gläubigen in ihrer Trauer müssen die Leere aushalten. Auch säkular ragt der arbeitsfreie Tag hinaus: Tanzveranstaltungen sind in vielen katholischen Landstrichen verboten.
So brutal und verstörend die Exekution Jesu Christi auch ist („O Haupt voll Blut und Wunden, voll Schmerz und voller Hohn“, GL 289), sie erst macht die Auferstehung möglich. Augustinus spricht von einem transitus per passionem, einem Übergang durch das Leid hindurch. Aus dem hebräischen Pascha stammen die Passion wie die Passage – die Pein des Karfreitags und die Feier der Osternacht gehören zusammen.