Lesetypographie

Sicher geht es beim Schreiben zuerst um den Inhalt. Doch gehört die Präsentation des Wortes ebenso zu seiner Wirkung wie dessen Formulierung. Die Gestaltung eines Textes ist impliziter Teil der Schreibarbeit. Es ist gut, wenn Autoren und Lektoren die Gesetze einer stimmigen Typographie kennen und wissen, wie sich ein Text so setzen lässt, dass er störungsfrei gelesen werden kann. Nicht, weil sie auch Setzer werden sollten, sondern um zu respektieren, dass ihre Arbeit ohne jene unvollständig wäre.

Das Hand-Werk, das in diesem Zusammenhang unbesehen empfohlen werden kann, ist die „Lesetypographie“ von Hans Peter Willberg und Friedrich Forssman. Die beiden Schriftgestalter haben bereits 1997 ein Kompendium zum Satz von Büchern veröffentlicht, das auch im digitalen 21. Jahrhundert nichts von seiner Klarheit, seiner Bedeutung und seinem Charme eingebüßt hat. Die Prinzipien zum flüssigen und harmonischen Lesen wurden bereits wenige Jahrzehnte nach der Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern entwickelt; im Zeitalter der Graphikprogramme können Lösungen realisiert werden, die im Bleisatz noch utopisch waren. Und doch braucht es, heute wie damals, zu einer vollendeten Gestaltung eines Textes, ob nun für die Realisierung auf Papier oder im Netz, die Kenntnis der Regeln des Arrangierens von Schrift, Wort und Bild.

Auch wenn sich die „Lesetypographie“ an Layout-Profis richtet, können berufsmäßig Schreibende von ihr nur profitieren. Ob es um die Wahl der geeigneten Schrift geht, um den Einsatz von Auszeichnungen, um Flattersatz und Fußnoten, um Hurenkind und Schusterjungen – Typographie ist Inszenierung des Wortes, sie setzt fort, was die Autorin begonnen hat und die Leserin beenden wird. Gefeiert wird nicht in erster Linie die Schönheit eines sauber gestalteten Buches, vielmehr das Funktionieren eines Lesens ohne Hindernisse. Das erschöpfende Werk von Willberg und Forssman im Format DIN A4 ist haptisch mehr gereift denn gealtert, die Gebrauchsspuren tragen zu seiner Veredelung bei. Ruhig steht es im Regal und harrt weiterer Konsultationen. Dabei liest es sich fesselnd wie ein Roman, erhaben wie ein Kunstkatalog und erhellend wie ein Lexikon. Einmalig.