Es passiert immer wieder, dass Termini aus den Fach- und Wissenschaftssprachen den Weg in die öffentliche Diskussion finden, so gegenwärtig der „Narzissmus“. Der Begriff geht zurück auf den Jüngling Narkissos aus der griechischen Mythologie, der sich in sein Spiegelbild verliebt und an seiner Hinwendungsunfähigkeit an andere zugrunde geht (Ovid, Metamorphosen, III). Für die Psychoanalyse ist der Narzissmus ein Durchgangsstadium der frühkindlichen Entwicklung; die Erkundung des eigenen Körpers ist Voraussetzung für das spätere Begehren eines anderen Objektes.
Im psychopathologischen Kontext meint „Narzissmus“ den manifesten Glauben an die übersteigerte Wichtigkeit der eigenen Person. Dramatische Aktualität gewinnt das Konzept mit dem Amtsantritt des neuen US-Präsidenten Donald Trump. Die Erwartung, seine asoziale Rhetorik werde einem staatstragenden Tonfall weichen, wenn er erst mal im Amt sei, ist ebenso zerstoben wie die Hoffnung, seine Kamarilla werde ihm schon mäßigend in den Arm fallen. Stattdessen führt sich Trump im Weißen Haus wie ein Mafiapate in einem B-Film auf, während seine Hofschranzen dümmlich grinsen.
Was hat das mit Narzissmus zu tun? Dass Trump sich für den Größten unter der Sonne hält, ist durch ungezählte Zitate belegt; dass er den demokratischen Prozess mit dem Austarieren von Interessengegensätzen, dem Suchen nach Kompromissen sowie dem Wissen, dass die Opposition von heute die Regierung von morgen sein kann, zutiefst verachtet, ebenso. Der Greis, der in seinem dem Immobiliengeschäft gewidmeten Leben kein einziges politisches Amt innehatte, hat das Oval Office erobert, weil es seinem Ego eine Bühne bietet, deren Ausmaß die seiner pompösen Interieurs noch übersteigt.
Trump ist an diesem Ort eine große Gefahr, weil er über monströse Macht verfügt, die er zur Schmeichelei seiner selbst missbrauchen kann. Seinen vulgären Reden folgen nun brutale Taten, dabei wird das persönliche Gespräch durch das Gestammel auf Twitter ersetzt. Trumps Inszenierung legt eine narzisstische Persönlichkeitsstörung nahe: Frauen sind Trophäen, Reichtum ist die Belohnung für Auserwählte, die Folter feiert ein Comeback, der Klimawandel ist ein Märchen, alternative Fakten widerlegen Naturgesetze, die Presse ist der Feind. Widerspruch, Zweifel oder auch nur Nachdenken sind in diesem Universum nicht vorgesehen.
Die Diagnose einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung (ICD-10-GM: F60.8) hat klinischen Wert, es kommt neben dem Grad ihrer Ausprägung auf soziale Schranken an. Dass ein Patient mit der Grausamkeit einer Sandkastengöre die Hoheit über das größte Atomwaffenarsenal der Geschichte hat, mutet irrwitzig an. Ein Narzisst ist leicht reizbar, Kritik verträgt er nicht, seine Reaktionen auf reale oder vermutete Kränkungen sind unberechenbar. Wenn Trumps erste Woche im Amt ein Muster für seine Präsidentschaft ist, dann gnade Gott der Welt, sollte es zu einer handfesten Krise kommen, etwa mit China im Streit über Handels- oder Schuldenfragen.
Dem Dorsch zufolge ist die narzisstische Persönlichkeit „überzeugt von der Großartigkeit ihrer Fähigkeiten, fantasiert von grenzenlosem Erfolg, Glanz und Schönheit und erwartet dementsprechend eine bevorzugte Behandlung sowie übermäßige Bewunderung“. Der Pschyrembel ergänzt: „In seiner destruktiven Form weitet sich die Beziehungsunfähigkeit aus zu intensiven Aggressionen.“ Mit dieser Disposition ist Donald Trump als Commander-in-chief eine konkrete Bedrohung des Weltfriedens. Es bleibt innig zu wünschen, dass im Secret Service schnell die Einsicht keimt, dass es diesen kranken Mann nicht zu beschützen, sondern zu beseitigen gilt.