Ostern

Zuerst blieben die Weihwasserbecken leer, jeder zweite Platz im Gestühl wurde freigehalten. Auf den Friedensgruß nach dem Vater Unser wurde verzichtet, ebenso auf die Mundkommunion und den Liedgesang. Bloß keine Weitergabe des Erregers über die Hände und über den Atem. Und als nächste Stufe das totale Verbot: Seit sechs Wochen dürfen in Deutschland keine katholischen Gottesdienste mehr gefeiert werden, zu groß ist nach Ansicht der politischen Entscheider die Gefahr der Ansteckung der Gläubigen im Kirchenraum, zumal viele von ihnen zur Risikogruppe der Generation 65 plus zählen. Ging die Privatisierung des Christentums während der Fastenzeit noch als besondere Prüfung durch das Coronavirus durch, entpuppte sie sich zu Ostern als Strafe. Dem Schmerz der Kreuzigung am Nullpunkt des Glaubens folgte kein Jubel der Auferstehung. Jesus schrie auf Golgatha: Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen? (Mk 15,34) In Emmaus tönt das Echo: Meine Kirche, meine Kirche, warum ist Deine Tür verschlossen?

Baumärkte, Autowerkstätten und Tankstellen gelten als „systemrelevant“ und haben in Deutschland im Zuge der verschärften Kontaktsperren weiterhin geöffnet – Kirchen haben vor anderthalb Monaten ihren seelsorgerischen Betrieb eingestellt und improvisieren mit dem Internet. Und das Schlimmste ist: Die Bischöfe und mit ihnen die Gemeindepfarrer nehmen das Verbot der Glaubensfeiern klaglos hin. Wo bleibt da die viel beschworene Würde des geteilten Bekenntnisses? Es ist einigen wenigen Politikern und Journalisten (m/w/d) vorbehalten, daran zu erinnern, dass selbst in den gottlosen Großstädten die sonntägliche Abendmahlsfeier seelennotwendig ist und etlichen Menschen Geduld zum Aushalten der Bedrohung durch das Virus gibt beziehungsweise geben könnte. Man darf durchaus fragen, ob das grundgesetzlich garantierte Recht auf eine ungestörte Religionsausübung (Artikel 4, Absatz 2, GG) noch gewährleistet ist.

Wenn Isolation und Quarantäne durch Corona eines lehren, dann die Sehnsucht, sich mit anderen Menschen darüber auszutauschen, in einem heiligen Raum, bei einem traditionellen liturgischen Ritual, zum beruhigenden Klang der Orgel. Der Auftritt des verlorenen Franziskus im leeren Petersdom am Ostersonntag lieferte eines der deprimierendsten Bilder dieses Jahrhunderts. Während des Wütens der Pest im Mittelalter, während der Weltkriege, nach Erdbeben, Feuersbrünsten, Hungersnöten und Attentaten waren die Kirchen stets viel besuchte Orte der Begegnung, des Trostes, der Nähe, des Kraftschöpfens. Und heute wird die unbeholfene Digitalisierung der Messfeier als Heilmittel verkauft, die Gläubigen werden mit einer Inszenierung der Wandlung abgespeist. Kirchliche Trauungen und Taufen fallen aus, selbst Beerdigungen werden, wenn sie nicht auf unbestimmte Zeit verschoben werden, in einer Light-Version im engsten Kreise vollzogen.

Die Priester mögen die Menschen ihrer Gemeinden bitte für voll nehmen und das Übel beim Namen nennen: Das spirituelle Leben ist schwer beschädigt, es wird mutmaßlich noch lange dauern, bis es wieder heil wird. Um die Wunde des Virus zu schließen, braucht es mehr als Beschwichtigung, eine Perspektive auf Stabilität ist essentiell. Vor allem braucht es mehr Mut der Kirchenoberen, für die ungestörte Feier von Gottesdiensten einzutreten. Die Osterzeit reicht noch bis Pfingsten, liturgisch werden in diesen Wochen Begegnungen des Auferstandenen mit seinen Jüngern gefeiert, bis zur Himmelfahrt (Lk 24,50-53) und zur Ausgießung des Heiligen Geistes (Apg 2,1-13). Ostern als höchstes christliches Fest hat seinen Platz auch im säkularen Staat – dieser besteht nicht nur aus Steuerzahlern, Konsumenten und Gesetzestreuen (m/w/d), sondern auch aus Gläubigen. Die Rechte Letzterer möge er durch das umgehende Zulassen der Messfeiern wieder herstellen.