Kerstin lag entspannt auf dem Rücken, alle viere von sich gestreckt wie ein Seestern, die Augen halb geschlossen. Ihr Brustkorb hob und senkte sich im Rhythmus tiefer Atemzüge, die sich stetig beschleunigten. Bettina kniete zwischen ihren Schenkeln, mit der linken Hand ihre Perle massierend, mit der rechten Hand ihre Flanke streichelnd. Sie kannte den Körper ihrer Gefährtin, um zu wissen, wo und wie sie es gern hatte. Sie beugte sich nach vorn und stupste mit ihrer Zunge Kerstins Brustwarze, die schlagartig fest wurde und sich aufzurichten begann. Aus Kerstins Mund entwich ein wohliges Stöhnen, für Bettina die Gewissheit, dass sie daran Gefallen fand.
Ein Kribbeln überzog Kerstins ganzen Körper, sich wellenförmig von ihren Brüsten ausbreitend. Sie wand ihren Oberkörper und warf ihren Kopf ruckartig wie ein Spatz hin und her, ihre rechte Hand tastete nach Bettinas linker. Beide trafen sich und formierten mit den geschlossenen Fingern eine doppelte Faust; Kerstins Druck war das Signal an ihre Geliebte, nicht nachzulassen mit ihren Liebkosungen. Bettina zog ihre Brüste über Kerstins Bauch und ihre nasse Scham, ihre Zungenspitze tippte kurz in den Bauchnabel, bevor sie sich wieder den kleinen Wilden zuwandte, so beider Kosename für Kerstins Tittchen. Deren tiefes Atmen ging in ein Keuchen über, das von zunächst leisen, sodann lauten Schreien abgelöst wurde. Als sie schließlich bebend kam, hallte ein mehrfaches, langgezogenes „Nein!“ durch die ganze Wohnung. Ihre erhitzten schweißverklebten Leiber blieben ineinander verschlungen, als schlüge ein Herz für sie beide.
Im Dämmer der Endorphine lagen sie gekuschelt aneinander, im Dunkel des Schlafzimmers war das Gesicht der Anderen nur in Schemen und Schatten zu erkennen, im angrenzenden Flur flackerte das Licht einer Bienenwachskerze neben einem glimmenden Räucherstäbchen. Ihre Atemzüge gingen gleichmäßig, Kerstin sog mit ihren Nüstern den betörenden Geruch aus Bettinas glatter Achsel auf. Sie bedeckten ihre glänzenden Leiber mit einer leichten Decke, die der lauen Sommernacht angemessen war. Gemeinsam schwebten sie auf der Grenze zwischen Schwindel und Wachsein, wo das Empfinden für das Vergehen der Zeit verblasst. Wie so oft in einer Situation wie dieser verspürte Kerstin das Bedürfnis nach einem Schluck frischen Orangensaftes, dem sie gleichzeitig nicht nachgeben wollte, weil das bedeutet hätte, sich aus Bettinas Armen zu winden und in die Küche zu gehen.
Träumte sie oder jaulte auf der Straße eine Sirene? Durch ihre nachlassende Betäubung hindurch vernahm sie das Schlagen der hölzernen Tür, die in den Hinterhof ihres Hauses führte, erregte Männerstimmen mischten sich darunter. Dann hieben schwere Tritte auf die Stufen des Treppenhauses, immer näher an ihre Wohnungstür kommend. Beide spitzten sie die Ohren, inmitten der abflauenden Trägheit begannen ihre Sinne sich wiederaufzurichten. Hier im Seitenflügel wohnten keine jungen Leute, die des Nachts lärmend aus der Kneipe nach Hause kamen. Dann schrillte die Klingel an ihrer Wohnungstür, die drohenden Worte „Aufmachen! Polizei!“ drängten in den Raum. Kerstin und Bettina sahen sich ungläubig an, da donnerte eine Faust an das Türblatt und der Befehl zum Aufmachen der Tür dröhnte erneut durch das ganze Haus.
Kerstin glitt aus dem breiten Bett, knotete im Badezimmer ihren Bademantel zu und ging ungläubig durch den Flur zur Tür, durch deren Glasfenster hohe Schatten auf dem Treppenabsatz sich abzeichneten. Kerstin öffnete zögerlich die Wohnungstür, und unweigerlich hielt sie die Luft an. Vor ihr standen mehrere Polizisten in Helm und Kampfmontur, einer hielt ihr den Strahl seiner Stablampe direkt ins Gesicht, sodass sie instinktiv ihre Augen mit den Fingern abschirmte, in der behandschuhten Hand eines weiteren konnte sie noch einen kolbenförmigen Rammbock erkennen. Ohne weiter zu fragen, trat der Wortführer über die Schwelle in den Flur, Kerstin dabei gegen die Garderobe schiebend. Auf ihre gestammelte Frage, was das solle, entgegnete er beißend, die Nachbarn hätten die Polizei alarmiert, hier habe eine Frau um Hilfe geschrien und werde wohl geschlagen.
Die Beamten polterten mit ihren festen Stiefeln durch die Wohnung, leuchteten in die Küche, ins Bad und ins Arbeitszimmer, dabei mit ihren raumgreifenden Bewegungen im Flur eine Blumenvase von einem hohen Tischchen werfend, kommentarlos. Die Dielenbretter im Wohnzimmer bebten von den lauten Schritten, sodass ein Porzellanservice in einer gläsernen Vitrine vibrierte. Ein Polizist tastete den Lichtschalter im Schlafzimmer, Bettina kauerte mit angezogenen Knien im Bett, die Decke über die schmalen Schultern gezogen. Unter den Polizisten war auch eine Frau, deren angerundeter Körper durch die brachiale Uniform nivelliert wurde. Sie schob das Visier ihres Helmes nach oben, blickte von Kerstin zu Bettina und wieder zurück, lächelte leicht und sagte: „Kollegen, hier scheint nichts weiter passiert zu sein, was uns etwas anginge.“ Sie schien den Östrogengeruch im Schlafzimmer richtig zu deuten.
Der Wortführer, ein den Bewegungen nach junger Mann, herrschte Bettina an: „Alles in Ordnung?“ Kerstin konnte ihre weit aufgerissenen Augen sehen, als sie gehorchte: „Ja, was soll denn sein?“ Der Wortführer ging nicht darauf ein und schwenkte seinen massigen Torso Kerstin zu, die ihre Arme um ihren zitternden Leib legte. Die Kollegen in ihren derben dunkelblauen Uniformen mit ihren Polstern an den Ellenbogen und Knien sowie den Handschellen am Gürtel und den Pistolen an den Hüften standen im Halbkreis um Kerstin herum, die sich barfuß in ihrem hautfarbenen Frotteestoff wehrlos fühlte. Was, wenn sich jetzt ein Schuss aus einer entsicherten Waffe löste? Sie strich sich eine Strähne ihres schulterlangen Haares aus der Stirn und schaffte es mit brechender Stimme zu sagen: „Hier wurde niemand geschlagen, im Gegenteil.“ Der Wortführer schien mit mahlendem Kiefer darüber nachzudenken, schwieg einige Sekunden und bellte dann: „Abmarsch!“ Beim Durchmessen des Flurs trat er auf eine Scherbe der zersprungenen Vase, die Stimmstöße seiner Kollegen hallten abebbend im Treppenhaus nach.
Kerstin erwachte aus ihrer Starre und schloss die Wohnungstür, das Licht im Treppenhaus war derweil erloschen. Als sie ihren Bademantel zurück auf den Haken hängte, bemerkte sie einen Fleck frischen Urins auf dem Stoff. Sie tappte zurück ins Schlafzimmer, löschte die Deckenlampe, knipste die Nachttischleuchte an und rollte sich wortlos an Bettina. „Was war das denn?“, fragte sie schließlich ihre Freundin, als der Schauer abgeklungen war. „Die waren drauf und dran, die Tür einzutreten. Bei unterstellter Gefahr im Verzug fragen sie nicht erst höflich, ob sie reinkommen dürfen.“ – „Immerhin hast Du aufmerksame Nachbarn. Im Falle echter häuslicher Gewalt wäre die Polizei willkommen. Du warst aber auch wirklich laut.“ Bettina grinste Kerstin an und ergänzte schelmisch: „Vielleicht gehen wir das nächste Mal besser zu mir, da müssen wir nicht so aufpassen.“ Sie schmiegten sich in der Löffelchenstellung aneinander, rieben sich genüsslich Haut an Haut und atmeten im Gleichklang. Das Gefühl der Beschädigung ihrer Privatsphäre war auch beim Erwachen am nächsten Morgen nicht verschwunden.