Doch Johannes gab ihnen allen zur Antwort: Ich taufe euch mit Wasser. Es kommt aber einer, der stärker ist als ich, und ich bin es nicht wert, ihm die Riemen der Sandalen zu lösen. Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen. – Lk, 3,16
Die Weihnachtszeit ist vorbei, im sakralen wie im profanen Sinne. Auf den Bürgersteigen und den Radwegen liegen Tannenbäume im Weg, ohne Kugeln, Kerzen und Lametta bedauernswert nackt. In den Fenstern leuchten noch vereinzelt Herrnhuter Sterne tapfer gegen das Januargrau an, vor den Schulen frieren die Schülerinnen beim Rauchen und Vapen in ihren Parkas im Schlafsackdesign. In den Büros sitzen Sachbearbeiter und Referentinnen im fahlen Licht ihrer Monitore, letzte Lebkuchen auf Papptellern vor sich, die Geschichten von Heiligabend und Silvester mehrfach einander erzählt.
Im katholischen Verständnis endet die Weihnachtszeit mit dem Fest der Taufe des Herrn, das wiederum auf den Sonntag nach Epiphanie fällt. Im Weihnachtskreis stellt die Taufe Jesu im Jordan einen logischen Bruch der Erzählung dar, wird dort doch ein erwachsener, bereits lokal berühmter Mann inmitten einer Menge anderer Bewerber und Wartender getauft, nachdem in den Wochen zuvor an Weihnachten und auch an Epiphanie ein Säugling in der Krippe dargestellt und angebetet wird. Der Prophet Johannes der Täufer ist ob Jesu Ansinnen, sich von ihm taufen zu lassen, irritiert, tut dann aber das, was höhererseits von ihm erwartet wird. Gleichwohl ist der Täufer wach genug, den Christus zu erkennen und zu benennen; seinem Wunsche gehorcht er, um das Wort der Schrift zu erfüllen.
Das deutsche Wort der Taufe stammt aus dem Gotischen, wo es so viel wie tief bedeutet. Damit harmoniert das griechische baptizein, was ein- beziehungsweise untertauchen meint; der französische Vor- und Beiname Baptiste ist dementsprechend der Getaufte. Beim Reinigungsritual des Taufens quer durch die Religionen und die Zeiten werden die Körper mit Wasser besprengt oder gleich ganz eingetaucht; beim christlichen Brauch der Taufe wird dem Säugling, dem viel zu früh geborenen Menschen in seiner jahrelangen Hilflosigkeit, etwas Wasser auf den Kopf gegossen. Auch diese kurze Begegnung mit dem Lebenselement reicht meist aus, um das Kind schreien und weinen zu lassen, nicht wissend, was da mit ihm passiert. Die Taufe wird öffentlich vollzogen im Rahmen einer festlichen Feier, die Gemeinde, in die der Täufling integriert werden soll, bezeugt ihre Spendung.
Die Taufe im christlichen Sinn kann als ein Schwellenritual verstanden werden, mit dem der kleine Mensch in die Gemeinschaft der Gläubigen aufgenommen wird. Diese Initiation vollzieht sich ohne Verständnis und Einverständnis des Täuflings, der passives Objekt des Vollzugs bleibt. Dieses Geschehenlassenmüssen lässt sich auch bei anderen sozialen Gelegenheiten beobachten, die als Ritus eines Übergangs vollzogen werden – sei es die Reife des Mädchens zur Frau, das Prügeln des Rekruten zum Soldaten, die Weihe des Kandidaten zum Priester. Stets steht der oder die zu Taufende einer homogenen Gemeinschaft gegenüber, deren Teil er oder sie werden wird, eben durch den Vollzug einer Handlung, die es zu erdulden gilt, sei sie mitunter auch absurd, schmerzhaft oder entwürdigend. Im Wort der Feuertaufe schwingt das Verwegene einer bestandenen Mutprobe mit.
In der Taufe vollzieht sich stets die Aktualisierung einer Tradition. Lange vor dem Täufling wurden andere getauft, womöglich wird er selbst dereinst die eigenen Kinder taufen lassen, also deren Aufnahme in die Gemeinschaft befördern. Das integrierende Kollektiv wird dabei als identitätsfestigend und beschenkend für das Individuum betrachtet. Wird die Taufe im Kleinkindalter gespendet, ist damit in der Regel die Vergabe eines Namens verbunden, den der werdende Mensch sein Leben lang tragen wird. Auch diese Bezeichnung geschieht dem Kinde, den Namen suchen die Eltern aus, im Glauben, dass er dem Jungen oder dem Mädchen Führung und Halt im Leben sein werde. Diese Namensgabe vollzieht sich auch mutatis mutandis beim Eintritt in einen katholischen Orden. Mit der Aufnahme einher gehen das Ablegen des alten bürgerlichen Namens und das Annehmen eines neuen klerikalen Namens. Auch dieser wird dem beziehungsweise der Erwachsenen gegeben, die Entscheidung darüber trifft der Abt beziehungsweise die Äbtissin.
Zudem kennt die katholische Kirche auch die Taufe Erwachsener, gerade in den gottlosen östlichen Landesteilen kommt sie dann und wann vor. Diese nachholende selbstbestimmte Aufnahme in die Gemeinschaft der Gläubigen macht aus den Katechumen Christen mit gleichen Rechten und Pflichten wie jene, die als Kinder aufgenommen wurden. Die schiere Dauer der Mitgliedschaft in der Gemeinschaft ist also kein qualitatives Kriterium. Die Taufe zählt zu jenen Sakramenten, die nur einmal im Leben gespendet werden. Zwar ist es denkbar, später im Erwachsenenalter der Kirche den Rücken zu kehren und zivilrechtlich auszutreten, ein Enttaufen allerdings ist nicht möglich. Die Taufe ist so unwiederholbar wie unauslöschlich, das lässt sich als Schicksal wie als Gnade begreifen.