Begriff und Praxis des „Terrors“ kommen aus Frankreich resp. dem Französischen. In der Endphase der Französischen Revolution 1793/94 unter Robespierre hielt die Schreckensherrschaft („La Terreur“) des Wohlfahrtsausschusses das Land in Angst; die Jahre 1936/38, als heftige Säuberungswellen die KPdSU erschütterten, gelten in der Sowjetunion als „Großer Terror“. Beiden so unterschiedlichen Konstellationen ist gemein, dass zahllose vermeintliche oder tatsächliche Gegner des jeweiligen Regimes verhaftet und hingerichtet wurden. Das Wüten der Geheimpolizei war charakterisiert durch völlige Willkür, damit in der Bevölkerung ein Klima des Schreckens erzeugt werde: Es konnte buchstäblich jeden treffen, absolut niemand sollte sich vor den Nachstellungen der Häscher sicher wähnen.
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist der Terror zu einer festen Größe auf der politischen Landkarte geworden, allerdings nach einem bemerkenswerten Paradigmenwechsel: Es sind nicht länger nur staatliche Institutionen (Geheimdienste, Polizei, Gerichte), die Angst und Schrecken unter den Menschen verbreiten; der Terror geht mittlerweile von privat operierenden, grenzüberschreitenden Zellen aus, die sich weiche Ziele für ihre Anschläge auswählen. Der Terror trifft etwa die Redaktion einer Zeitschrift, eine Konzerthalle, Restaurants und Cafés sowie eine feiernde Menge auf einer Promenade am Nationalfeiertag. Repräsentanten der Politik, der Wirtschaft und des Militärs sind gut beschützt, die Menschen im Land sind es nicht – sie sind leicht zu ermorden von dezentral vorgehenden Killerkommandos.
Zum Terror der Gegenwart zählt weiter die Bereitschaft der Attentäter, das eigene Leben zu geben, um möglichst viele Menschen zu töten. Wirkt das Morden auf den ersten Blick wahllos, folgt es doch einem ideologischen Muster: Islamistisch inspirierte Terroristen, im Nahen Osten ebenso wie in Frankreich und Belgien, lassen ihrem Hass auf ein Leben nach westlichen Maßstäben freien Lauf, bevorzugt an emblematischen Orten, an denen eine offene Gesellschaft ihren Pluralismus und ihren Konsum, ihre Liberalität und ihren Humor zur Schau stellt. Von den Zumutungen einer säkularen Welt der Konkurrenz wie des Konsenses überfordert, wollen die Terroristen schlichte Verhältnisse herbeifeuern – der Religion kommt dabei mindestens die Rolle des Brandbeschleunigers zu, wenn nicht des Zündholzes.
Der Terror des 21. Jahrhunderts hat die genuin politische Sphäre hinter sich gelassen, er hat sich einen kulturellen Überbau geschaffen, der auf die Gefühle der Entwertung und Ausgrenzung segregierter Milieus setzt und sich seiner medialen Inszenierung professionell versichert. Via Facebook, Twitter und Youtube werden Nachwuchskämpfer in den Vorstädten rekrutiert, die die Sache Allahs zu ihrer eigenen machen. Der möglichst blutige Terrorakt gerät zu seinem eigenen Symbol, jeder einzelne Mord wird gefeiert als Etappe auf dem Weg ins Paradies. Der Terror von heute kommt gar ohne herkömmliche Waffen aus, solange Hass, Verzweiflung und teuflische Phantasie nicht verlöschen. Er wird erst verschwinden, wenn Freiheit und Gleichberechtigung an die Stelle des Schreckens treten – und zwar global.