Medizinisch liegt der Fall klar: Der Tod steht am Ende des Lebens eines Individuums, er wird im Pschyrembel beschrieben als „irreversibler Funktionsverlust des Atmungs-, Kreislauf- und Zentralnervensystems“. Der Zustand des Todes kann nach den Phasen des klinischen, des Hirn- und des biologischen Todes differenziert werden. Neben den unsicheren Todeszeichen wie der Blässe der Haut, Areflexie und fehlender Atmung gelten als sichere Todeszeichen Totenflecke, Totenstarre und Fäulnis.
Der Tod ist zum einen alltäglich wie die Geburt, die am Beginn des Lebens steht, zum anderen unfassbar, weil die Erfahrung der Leere das Subjekt solange übersteigt, bis es sie selbst erlebt, ohne sie dann noch reflektieren zu können. Der Tod ist notwendig ein Ereignis der anderen, der hinführende Prozess des Sterbens ist ebenso beobachtbar wie sein Ergebnis, die Leblosigkeit. Der Mensch, anders als das Tier, weiß um die Endlichkeit des irdischen Daseins, und muss diese Tatsache doch verdrängen, um sie tragen zu können.
Der christliche Glaube kreist um die Vorstellung der Überwindung des Todes durch die Auferstehung, sowohl des Fleisches als auch der Seele. Jesus Christus, Gottes Sohn, ist Mensch geworden, um den Gläubigen resp. den Zweifelnden zu demonstrieren, dass die Angst vor dem Tod unbegründet ist, dass dieser nicht das letzte Wort hat, sondern eine Passage ist auf dem Weg zum Ewigen Leben. So fragt der Apostel Paulus in seinem Brief an die Korinther trotzig: „Tod, wo ist Dein Sieg? Tod, wo ist Dein Stachel?“ (1 Kor 15,55)
Ob man diesen Glauben teilt oder nicht, vor dem Tode sind alle Menschen gleich; so unterschiedlich die Erinnerung an sie auch ausfallen wird, sie werden in der Erde gleichermaßen „gemeine Würmerkost“ (William Shakespeare, Sonett LXXIV) sein. Das Entsetzen über dieses Schicksal plagt die Lebenden in ihrer Trauer, denen die Verstorbenen die vollkommene Bewusstlosigkeit voraus haben, wie sie bereits bestand vor der eigenen Geburt. Das Blut sträubt sich, diesen Kreislauf aus Werden und Vergehen über alle Ewigkeiten anzuerkennen, wider besseres Wissen.
Die Medizin hat unbestreitbar Erfolge vorzuweisen in der Verlängerung und der Verbesserung der menschlichen Existenz, den Tod vollends aufzuheben wird ihr nicht gelingen. So wird das Ende des Lebens immer mitlaufen, im Grunde beginnt mit dem ersten Atemzug der Countdown in Richtung Grab. Diese Gewissheit kommt in einer Gesellschaft, die Jugend, Gesundheit und Attraktivität zu Fetischen erhoben hat, nicht gut an; wohl auch deswegen wird über den Tod öffentlich nur mit einer Flüsterstimme gesprochen.
Das Rätsel des Todes kennt keine Auflösung, so viele Metaphern ihn auch umschreiben und so viele Bücher und Theaterstücke ihn thematisieren. Die Stunde seiner Ankunft ist unbekannt, zum Glück, so möchte man sagen. Denn dieses Nichtwissen stattet die Hiesigen mit einem Vorrat an Zukunft aus, bis an die biologische Grenze. Auf dem Weg dahin gilt es das Leben zu leben und zu lieben, mit all seinen Höhen und Tiefen, im Vertrauen auf Gott. Denn das Sterben kann man nicht üben. Ein Impuls für die nahende Fastenzeit?