Der Terminus des „Tourismus“ ist vergleichsweise jungen Datums, er ist zum Ende des 19. Jahrhunderts im Deutschen nachweisbar. Seine Wurzel liegt im französischen Tour, was die Fahrt, der Ausflug und auch das Manöver bedeuten kann. Die Tournee als Rundreise eines Künstlers oder eines Ensembles geht ebenso auf die Tour zurück, die in stehenden Begriffen wie der Tour de France auf das Zirkuläre, das Etappenhafte und das Spektakuläre verweist. Der „Tourismus“ nun meint eine inszenierte Reise in Erholungs- und Vergnügungsabsicht.
Über Jahrhunderte war eine Reise (abgeleitet vom griechischen reis-a: aufgehen, sich erheben) nach heutigem Verständnis unbekannt. Wenn Menschen ihr Dorf oder ihre Stadt verließen, dann weil sie dazu gezwungen wurden oder es zu ihrem Beruf gehörte. Sie zogen als Soldaten in den Krieg, flohen vor der Pest oder einer feindlichen Armee, gingen auf Pilgerfahrt ins Gelobte Land oder trieben Handel mit fernen Geschäftspartnern. In der Renaissance war für cisalpine Maler eine Reise nach Italien integraler Teil der Ausbildung.
In der Romantik waren es junge britische Adlige, die auf ihrer Grand Tour zu Bildungs- und Studienzwecken an die Stätten der Antike zogen. Nur sie verfügten über Zeit, Geld, Wissen und Muße, sich von griechischen und römischen Texten Richtung Mittelmeer locken zu lassen. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts entstanden die ersten Seebäder an französischen und deutschen Küsten, die wegen der guten Luft und ihrer Reizarmut von reichen Städtern aufgesucht wurden; Marcel Proust und Thomas Mann haben darüber geschrieben.
Der „Tourismus“ im heutigen Sinn ist ein Produkt des 20. Jahrhunderts. In den 1920er Jahren „entdeckten“ wiederum Angehörige der britischen Oberschicht die Schweiz als Lebensstil, nach dem Ende des II. Weltkriegs wurden Ferien und Urlaub endgültig demokratisiert. Politische Stabilität, Stärkung der Arbeitnehmerrechte, erschwingliche Transportmittel und massentaugliche Konsummuster können als Triebkräfte identifiziert werden. Speziell an den sonnenreichen Stränden Südeuropas entstand eine Infrastruktur für die Gäste auf Zeit.
Längst ist es gerechtfertigt, von einer veritablen Industrie des Reisens zu sprechen; in vielen Ländern finden Millionen Menschen Arbeit in diesem Wirtschaftszweig. Auch nachfrageseitig ist es zu einer Differenzierung über den Habitus der Touristen gekommen: Die Kunden achten auf eine korrekte Bilanz der Ressourcennutzung, bestehen auf All Inclusive, verbinden Bequemlichkeit und Sport, suchen Party und Kitzel, zeigen sich kunst- und kulturbeflissen, cruisen in der Antarktis, gönnen sich ein Sabbatical – sie nutzen das Reisen zur Distinktion.
Darunter leidet aktuell die Türkei, wie auf der just stattfindenden Internationalen Tourismus Börse ITB deutlich wird. Waren es zunächst islamistische Terroristen, die die Urlauber auf Abstand zum Bosporus hielten, sind es nun die autoritären Maßnahmen des Regimes, die einen Flug nach Antalya erschweren. Allen Beteuerungen der Manager zum Trotz, ist der Tourismus von Politik nicht zu trennen, fehlen im Falle eines Boykotts einer Destination den Herrschern dringend benötigte Devisen. Eine tröstliche Perspektive einer globalisierten Welt.