Am Ende war die markige Ankündigung einer Kehre in der deutschen Politik gegenüber der Türkei doch nur die übliche heiße Luft der Diplomatie im Sommerloch. Nachdem ein deutscher Mitarbeiter einer NRO in der Türkei von den Behörden unter dem absurden Verdacht der Unterstützung des Terrorismus verhaftet wurde, trat der deutschen Außenminister vor die Mikrofone und verkündete lauthals, dass es so mit dem Land am Bosporus nicht mehr weitergehe. In der Türkei sei keine Rechtssicherheit mehr gegeben, weder für Geschäftsleute noch für Touristen; eine konsularische Betreuung deutscher Staatsangehöriger im Land sei nicht länger gewährleistet.
Diese Worte treffen natürlich ins Schwarze. Ankara liegt auf Rang 151 der Liste der Pressefreiheit des Jahres 2017 der „Reporter ohne Grenzen“ (von 180 erfassten Ländern). Der Vorwurf der Förderung des Terrorismus trifft wahlweise kurdische Abgeordnete, in- und ausländische Journalisten und selbst Konzerne wie die BASF. Deutschen Parlamentariern werden Besuche deutscher Soldaten auf einem in der Türkei gelegenen NATO-Stützpunkt verweigert, ohne Angabe von Gründen. Nach dem Putschversuch im vergangenen Jahr wurden tausende Richter, Staatsanwälte, Lehrer und Militärs aus dem Staatsdienst entlassen und inhaftiert, ebenfalls ohne individuelle Begründung.
Unter Präsident Erdogan ist die Türkei nach Jahren der zaghaften Öffnung zum Westen auf dem Weg in eine moderne Diktatur; die Kriterien, die das „Wörterbuch Staat und Politik“ hierfür referiert, sind vollumfänglich erfüllt: Die Staatsmacht ist monopolisiert, politische Opposition und gesellschaftlicher Pluralismus sind arg beschnitten resp. abgeschafft, der Polizeistaat tritt anstelle des Rechtsstaates. Darüber hinaus sind im Nachfolgestaat des Osmanischen Reiches totalitäre Tendenzen in Richtung Einparteienherrschaft, Gleichschaltung des öffentlichen Lebens, Führerkult, Propaganda und willkürliche Gewalt gegenüber der Bevölkerung nicht länger zu übersehen.
Warum werden die grotesken Beitrittsverhandlungen zur Europäischen Union (EU) mit der Türkei nicht beendet? Warum liefert die Bundesregierung weiter eifrig Waffen an dieses Land zwischen Staatsstreich und Islamismus? Warum schweigen die anderen europäischen Regierungen beharrlich gegenüber den Menschenrechtsverletzungen am Bosporus? Die Antwort fällt ernüchternd traurig aus: Die Türkei werde gebraucht zur Bewältigung der Flüchtlingskrise, außerdem gelte es eine Annäherung an Russland zu verhindern. Doch gottlob wird niemand gezwungen, den Urlaub in Antalya zu verbringen – dergestalt ausbleibende Devisen schmerzten das Regime verlässlich.