Universal Soldier

  Seit Menschengedenken ziehen junge Männer, die eher für die Liebe als für den Kampf taugen, in den Krieg – und genauso lange werden ihre Taten schon von Dichtern besungen. – Germaine Greer, Der Knabe


He’s five foot two and he’s six feet four
He fights with missiles and with spears
He’s all of thirty-one and he’s only seventeen
He’s been a soldier for a thousand years

He’s a Catholic a Hindu an Atheist a Jain
A Buddhist and a Baptist and a Jew
And he knows he shouldn’t kill and he knows he always will
Kill you for me my friend and me for you

And he’s fighting for Canada he’s fighting for France
He’s fighting for the USA
And he’s fighting for the Russians and he’s fighting for Japan
And he thinks we’ll put an end to war this way

And he’s fighting for democracy he’s fighting for the reds
He says it’s for the peace of all
He’s the one who must decide who’s to live and who’s to die
And he never sees the writing on the wall

But without him how would Stalin have comdemned him at Katyn
Without him Caesar would have stood alone
He’s the one who gives his body as a weapon of the war
And without him all this killing can’t go on

He’s the universal soldier and he really is to blame
His orders come from far away no more
They come from here and there and you und me and brothers can’t you see
This is not the way we put the end to war

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Komposition und Text des „Universal Soldier“ stammen von der kanadischen Musikerin Buffy Sainte-Marie, doch populär wurde das Lied erst in der Interpretation des britischen Sängers Donovan von 1965, lediglich mit einer akustischen Gitarre begleitet, die heute noch auf YouTube zu sehen ist. Während des Vietnam-Krieges wurde es zu einer oft gespielten Protesthymne der Friedensbewegung in den USA und Europa. Durch die russische Invasion der Ukraine bekommt das Lied eine beklemmende Aktualität, der Krieg ist nicht mehr nur eine Metapher oder eine ferne Erinnerung, sondern bedrückend real. Allein in Deutschland sind mittlerweile über 240.000 Flüchtlinge angekommen, die Vereinten Nationen befürchten die größte Fluchtbewegung in Europa seit dem II. Weltkrieg.

Der „Universal Soldier“, am besten zu übersetzen mit „Der gemeine Soldat“, stellt die Frage nach der Verantwortung des Einzelnen für das Schießen, Bomben und Töten im Krieg. Die Autorin Buffy Sainte-Marie und der Interpret Donovan konstatieren, dass jeder Soldat für eine Idee kämpfe, für den Frieden, für den Kommunismus, für die Demokratie, egal, aus welchem Land er komme oder welchem Glauben er anhänge. Offen bleibt, ob es seine eigenen Ideen sind oder ob sie zu Zwecken der Legitimität von der politischen und militärischen Führung ausgerufen werden. Der gemeine Soldat ist es, der mit seinem Körper, seinem Willen und seiner Bereitschaft das Morden am Laufen hält, ohne ihn sind die Feldherren der Geschichte hilflos und allein. An ihm liegt es, den Krieg zu beenden – doch mit Waffen und Panzern wird es ihm nicht gelingen, im Gegenteil. Das Lied ist ein Lob der Dissidenz und der Verweigerung.

In keinem Bereich des Lebens ist die Trennung der Geschlechter so eklatant wie beim Militär. Es ist kein Zufall, dass die meisten Soldaten junge Männer sind, so gerade der Jugend entwachsen. In der Blüte ihres kurzen Lebens werden sie durch die Wehrpflicht zur Armee gezwungen, ihre Individualität wird durch das geschorene Haar, die Uniform, den Drill und die Kaserne ausradiert. Sie werden dazu erzogen, als militärische Einheit zu funktionieren, auch und gerade mit Waffen, dabei die Befehle auszuführen und keineswegs über ihren Sinn nachzudenken oder sie gar zu ignorieren. Aus diesem Grund werden in jeder Armee der Welt Deserteure umstandslos hart bestraft, auf sogenannte Fahnenflucht während des Krieges steht der Tod durch Erschießen. Ob der „Universal Soldier“ einen gerechten Krieg kämpfen kann, lässt das Lied offen – Pazifismus ist notwendig fundamentalistisch, er will die Logik von Schuss und Gegenschuss überwinden und Konflikte vorbeugend und friedlich lösen.

Der Krieg in der Ukraine zeigt im Gewirr der Nachrichten, Bilder und Filme junge russische Rekruten, die ohne ihr Wissen in das Nachbarland geschickt wurden; ihre Pässe und Telefone wurden ihnen von den Kommandeuren abgenommen, damit sie weder an unabhängige Informationen kommen können noch den Gedanken eines unerlaubten Entfernens von der Truppe weiterdenken mögen. Von einer gezielten Operation gegen militärische Ziele kann der offiziellen Propaganda zum Trotz dabei keine Rede sein; Wohnhäuser sind zu Ruinen gebombt, Krankenhäuser und Theater werden ebenso angegriffen wie Munitionsdepots und Lebensmittellager. Die Leichen auf den Straßen von Cherson oder Mariopol, die wegen des Dauerfeuers der Artillerie nicht bestattet werden können, erinnern an das Grauen des Holodomor der frühen 1930er Jahre, als in der Ukraine im Zuge der Zwangskollektivierung unter dem sowjetischen Diktator Josef Stalin Millionen Menschen verhungerten und Tote auf den Straßen verwesten.

Die Geschichte des Krieges ist auch die Geschichte seiner Ikonografie. Dabei wird selten thematisiert, was der Krieg mit den Soldaten anrichtet, die er verschlingt und zu blankem Material der Befehlskette herabwürdigt. Aus dem Vietnam-Krieg bleiben exemplarisch die Hinrichtung eines gefesselten Gefangenen durch einen Polizisten durch einen Kopfschuss per Revolver oder das schreiende fliehende nackte Mädchen nach dem Einsatz von Napalm im Gedächtnis. In der Geschichte der Malerei wird der Hirte David, der den Philister Goliath durch eine List getötet hat, traditionell als Junge dargestellt. In der Ukraine wird gerade der Präsident Wolodymyr Selenskij zu einer Figur des Mutes, des Widerstandes und der Provokation. Im T-Shirt in Oliv und mit Dreitagebart sitzt er in einem nicht näher identifizierten Raum und blickt entschlossen in die Kamera, dabei seinem Volk Hoffnung zusprechend, den Westen zum Eingreifen auffordernd und die russische Führung der Kriegsverbrechen bezichtigend.

Absurderweise ereifern sich Twitter-Feministinnen über die sogenannte toxische Maskulinität, die Selenskij und dem Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko angeblich eigne, weil sie zum Kampf gegen die russischen Aggressoren aufrufen. Ihrem Verständnis zufolge brauche es keine Helden, sondern gewaltfreie Kommunikation. Der „Universal Soldier“ ist eine Konstante der Menschheit, er will den Krieg und das Töten nicht und hat doch keine Wahl, wenn sein Land überfallen wird. Die Ukraine lässt Frauen, Kinder und Alte ins sichere Ausland ziehen, Männer im wehrfähigen Alter werden zu den Waffen gerufen. Das mag man tragisch nennen, ist aber ein existentielles Bekenntnis zur Freiheit und Unabhängigkeit. Diese ist fragil und muss immer wieder erkämpft werden, der Preis kann dabei der eigene Tod sein. Nach dem Krieg werden die Denkmäler für die Tapferen errichtet – ein immergrünes Motiv ist der Unbekannte Soldat. Er ist jung, idealistisch und bereit zum Opfer seines Lebens, wie seine Kameraden zu allen Zeiten auf allen Schlachtfeldern dieser Welt.