Das Sommerloch ist noch nicht ganz geschlossen, die Schulkinder sind vielerorts noch in den Ferien, und wenige Wochen vor der Bundestagswahl lächeln Kandidat*innen jedweder Partei von Plakaten herab. Der Wahlkampf ist das energische Buhlen um Stimmen mit dem Mittel der Ankündigung, zu keiner Zeit werden die Menschen hemmungsloser mit vollmundigen Absichtserklärungen à la „Wir werden …“ oder „Für Sie …“ umschmeichelt.
Dabei sind „Versprechen“ wohlfeil, sie bedienen die Erwartungen und Sehnsüchte der Adressat*innen und entlasten diese von der Verantwortung für das Kommende, das ja durchaus missliebig sein kann. Jede kommerzielle Werbung funktioniert nach diesem Muster: Werde attraktiv, erfolgreich und glücklich, indem Du jenes tust, kaufst und verwendest. Jedes Versprechen zielt auf das Aufheben einer Unsicherheit, ist Verlockung und Vollendung zugleich.
Zeitlose Wahlkampflosungen bundesdeutscher Politik etwa sind „Keine Experimente!“ oder „Sie kennen mich.“ Ein Versprechen ist ein paradoxer Wechsel auf die Zukunft, auf dass sich nichts ändern möge, zumindest dass der Wandel schmerzfrei bleibe. Laut Dornseiff teilt das „Versprechen“ untergründig religiös das semantische Feld mit der Hoffnung, der Verheißung, der Zuversicht und dem Glauben; sein Brechen ist dabei stets mitgedacht.
Eine berühmte Stelle des Evangeliums warnt vor falschen Propheten: „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.“ (Mt 7,16) Intellektuelle neigen dazu, die Wirkung der Worte im Wind zu überschätzen – Politiker und Manager müssen sich vielmehr an ihren Taten messen lassen. Der französische Staatspräsident Francois Mitterrand goss die unweigerlich drohende Enttäuschung in ein Bonmot: „Versprechen binden nur diejenigen, die an sie glauben.“