Hartnäckig hält sich „alternativlos“, das Unwort des Jahres 2010, im politischen Diskurs; seine Urheberschaft lässt sich nicht zweifelsfrei klären. Auf eine britische Premierministerin geht die „Tina“-Formel zurück: There is no alternative. Die deutsche Bundeskanzlerin bezeichnet ihre Entscheidungen resp. Nichtentscheidungen gern als „alternativlos“. Und die Medien nehmen den Begriff willfährig ins Vokabular auf.
Eine Alternative meint laut Kluge die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten (entlehnt aus dem Französischen alterner, abwechseln; das Lateinische spendet mit alter den Anderen). Also eine Situation vor einer Entscheidung, pro oder contra, hier oder dort, ja oder nein. Diese Differenz ist typisch für die Politik, die sich ja gerade über Entscheidungen und deren Durchsetzen definiert.
Von „Alternativlosigkeit“, also der Abwesenheit einer Aus-Wahl zu sprechen, verschleiert die Gegebenheiten rhetorisch. Im Reich der Physik oder der Chemie gelten Naturgesetze, sie sind ahistorisch und überörtlich. Aber im Bereich des öffentlichen Lebens, wo Positionen und Interessen oft zueinander in Opposition stehen, geht es um Moderation, Kompromisse, Diskussionen – eben um Alternativen.
Diese Wahl nun für nicht existent zu erklären, ist eine unredliche Verweigerung der Verantwortung des politischen Tuns durch die Macht. Wo es wegen angeblichen Sachzwangs nichts zu entscheiden gibt, kann auch niemand für mögliche Folgen haftbar gemacht werden. Zudem geht rein logisch dem Befund des Alternativlosen eine Entscheidung voraus, die sich nur nicht als solche zu erkennen geben mag.
„Alternativlos“ ist eng verschwistert mit der Wendung „die Politik besser erklären“. Als hätte das Publikum in seiner Beschränktheit nur nicht richtig verstanden, warum es genauso so kommen musste. Als ginge es um die Gravitation und nicht um Steuererhöhungen, Stellenstreichungen oder Kriegserklärungen. Die Medien sollten sich nicht zu Handlangern der Politik machen und daher deren Sprache zurückweisen.