Asyl

Die Flüchtlingskrise, die Europa und Deutschland gerade erschüttert, ist auch eine Krise der Sprache. Die zahllosen Menschen, die sich aus Südosteuropa, von Nordafrika und dem Nahen Osten aus in Richtung Westeuropa aufmachen, sich dabei oft in die Hände skrupelloser Schlepper begeben und auf der Fahrt über das Mittelmeer ihr Leben riskieren, gelten im politischen und medialen Diskurs dieses Landes wahlweise als Flüchtlinge oder als Migranten. Diese wie jene begehren Einlass in Deutschland, dabei sich auf das Recht auf Asyl berufend. Und allen stehen die Türen umstandslos offen.

Das Wort „Asyl“ kommt aus dem Griechischen und meint unverletzlich. In Deutschland ist es kodifiziert in Artikel 16a, Satz 1, GG, der politisch Verfolgten Asylrecht gewährt. Die Genfer Flüchtlingskonvention von 1954 definiert das Recht auf Asyl ebenfalls entlang politischer, nationaler, religiöser und rassischer (sic!) Verfolgung. Beide Texte kennen ausdrücklich weder Armut noch fehlende berufliche Perspektiven als Fluchtgründe. Dieser Umstand kommt in der in Deutschland geführten Debatte vollkommen zu kurz, ebenso werden Flucht und Migration munter durcheinander geworfen.

Die deutsche Regierung verkauft die gute Million an Menschen, die in diesem Jahr nach Deutschand kommen, der Bevölkerung als demographischen Gewinn. Sie sortiert sie en passant in die Kategorie der Zuwanderung, die angesichts des unterstellten Fachkräftemangels nützlich sei, anstatt die damit einhergehenden Belastungen bein Namen zu nennen. Eine solche Haltung ist nicht nur feige, sie ist töricht. Wenn die Bundesregierung der Ansicht ist, es brauche Zuwanderung nach Deutschland, dann soll sie diese steuern anhand klarer Kriterien sozialer und wirtschaftlicher Interessen. Genau das tun nämlich die klassischen Einwanderungsländer, die Immigration als Investment verstehen.

Da aber Deutschland ein Einwanderungsland ohne Einwanderungsgesetz sein und bleiben will, haben die Verzweifelten nur das Ticket des Asylrechts, auch wenn es in vielen Fällen gar nicht greift. Das Bild des Flüchtlings in den geltenden Gesetzen und Konventionen orientiert sich am heroischen Widerständler gegen die Nazis; die armen Teufel, die aus Motiven der Hoffnungslosigkeit im Heimatland kommen, fallen dabei durchs Raster. Entweder schafft sich die EU ein einheitliches Asyl- und Einwanderungsrecht oder sie zerfällt in wenigen Jahren in überwunden geglaubte Antagonismen. Die Würde des Menschen, die zu schützen sie ja angeblich zu ihrem Daseinszweck erklärt hat, wird dann verletzlicher sein als ehedem.