Kürzlich wurde in einer Diskussion zum Gesundheitswesen gefordert, man müsse endlich „Licht ins Dickicht bringen“. Gemeint war wahrscheinlich „Licht ins Dunkel bringen“ oder aber eine „Schneise ins Dickicht schlagen“ – schließlich erheischt das Dickicht, das Anklänge zum Gebüsch, zum Dschungel oder zum Gestrüpp aufweist, einen räumlich konnotierten Gegenbegriff. Das zugrunde liegende Adjektiv ist dick, mit enger Ableitung zu dicht.
Die unfreiwillig komische Formel vom „Licht im Dickicht“ könnte dem Kleinen Hey, der legendären Fibel zur Sprecherziehung für die Bühnenberufe entnommen sein. Dort heißt es zum Vokal I: „Beim Sprechen des I hebt sich der Kehlkopf, die Zunge wölbt sich gegen den harten Gaumen, während ihre Spitze die untere Zahnreihe eben berührt. (…) Man nennt ihn daher auch Zungen- oder Engelaut, im Gegensatz zu den Lippen- oder Raumlauten O und U.“
Der Kleine Hey trainiert seit Generationen die saubere Artikulation einzelner Buchstaben, Silben und Wörter mit bemüht konstruierten Versen, die zwischen Dada und Zungenbrecher liegen: „Ist dies Idyll hier nicht des Friedens Bild“ oder „Wie sie sich listig zieret, wirkt sie mit Witz nicht minder“. Eingedenk dieser I-Flut zum Üben des hellsten Selbstlauts gesellt sich lautmalend „Die Finnin, zickig mit Gicht im Knie, bringt Licht ins Dickicht“ dazu.
Auch eine Wendung wie „Die Christin imitiert griffig, wie schmissig Licht im Dickicht klingt“ pflegt Melodie und Rhythmus jenseits eines Sinnzusammenhangs. So gerät die stolpernde Metapher zum akustischen wie typografischen Wortwitz, subversive Albernheiten verträgt die Sprache allemal. Und was passierte, sollte dereinst „Licht ins Dickicht“ gebracht sein? Dann täte sich im Unterholz eine Lichtung auf, unmittelbar neben der Dichtung.