Mit dem Aschermittwoch beginnt im christlichen Kontext die 40 Tage währende Fastenzeit in der Einstimmung auf Ostern (siehe etwa Mt 4,2 oder Mk 1,13). Diese Wochen des „Betens mit dem Körper“ sollen von den Gläubigen genutzt werden, sich auf das wichtigste Fest im Kirchenkalender vorzubereiten, dabei sich in Enthaltsamkeit und Buße zu üben in Erwartung der Feier der Passion und der Auferstehung Jesu Christi. Traditionell fällt die Fastenzeit an den Beginn des Frühlings, den Anfang des Jahreskreises.
Auch die anderen Hochreligionen kennen das Fasten, den zeitlich befristeten Verzicht auf feste Nahrung. Im Germanischen legt der Begriff nach dem Kluge einen Bezug zu rein, rechtschaffen, gesetzestreu nahe. Der Dornseiff spannt den Bedeutungsrahmen von der Kasteiung und der Askese über das Darben und das Schmachten zur Läuterung und zur Kontemplation. In der säkularen Welt meint das Fasten allgemein den aktiven Abstand zu liebgewonnenen Gewohnheiten, vom Alkohol über das Internet und das Autofahren bis zur Sexualität. Und wer sich bewusst einer medizinischen Heilfastenkur unterzieht, strebt eine Aktivierung der Selbstheilungskräfte des Organismus unter dem Zeichen seiner Eigenernährung an.
Worauf auch immer die Entsagung sich richtet, ob nun religiös grundiert oder profan, die Erfahrung der Nüchternheit wird begleitet von einem wachsenden Gefühl der Demut und des Respekts vor dem Wert der Dinge. Der Überfluss an kulinarischen Genüssen im Alltag kann im Angesicht der Leere als störend erlebt werden, als Behinderung der Erkenntnis des wirklich Wichtigen. Der Fastenden offenbart sich die Abwesenheit des Essens als Geschenk und als Bereicherung – im Idealfall wird sie dieses Paradox nach dem Fastenbrechen in eine achtsame, gesunde Ernährung überleiten. Fasten als Schärfung der Sinne wie der Körperpflege.
Es ist ein zutiefst christlicher Gedanke, durch den Schmerz des Verzichts zum Heil zu gelangen. Nicht umsonst schüttet bei wochenlangem Fasten das Hirn Endorphine aus, um den Organismus für die Mobilisierung seiner Energiereserven zu belohnen. Eine Parallele ließe sich zum Marathon ziehen, einer Meditation der Bewegung. Diese Übung in Ausdauer und Willenskraft wäre undenkbar ohne Disziplin, auch hier wird dem einen großen Ziel so manches untergeordnet, auch hier helfen Schübe an Euphorie beim Durchhalten des monotonen Trainings. Im Übrigen ist der Mensch des Nachts unwillkürlich dem Rhythmus des Fastens ausgesetzt: Im englischen breakfast für Frühstück ist das Fastenbrechen aufgehoben.