Je t’aime

Für ihren Sprung an die Spitze der französischen Popkultur brauchte die aus London stammende Schauspielerin Jane Birkin keine ausgefeilten Sprachkenntnisse. Das Lied mit dem treuherzigen Titel „Je t’aime (moi non plus)“ aus dem Jahr 1969, im Duett gesungen mit ihrem seinerzeitigen Lebensgefährten Serge Gainsbourg, machte sie aufgrund ihres erotischen Stöhnens weltberühmt. Jane Birkin reüssierte als Sängerin und Schauspielerin, nun ist sie mit 76 Jahren in Paris gestorben.

Jane Birkin wurde 1946 in London geboren, ihre Mutter war Schauspielerin, der Vater ein hoher Militär. In jungen Jahren war sie von 1965 bis 1968 mit dem Komponisten der James Band-Serie John Barry verheiratet. Ende der 1960er Jahre schaffte sie den Durchbruch als Aktrice in den Filmen „Blow up“ und „La piscine“. Sie zog nach Frankreich und traf dort den Sänger und Komponisten Serge Gainsbourg, mit dem sie 1971 die Tochter Charlotte hatte. In den 1980er Jahren, als sie mit dem Regisseur Jacques Doillon liiert war, gelang ihr im Kino der Schritt ins Charakterfach, etwa im Film „Die schöne Querulantin“. Als Sängerin interpretierte sie oft Lieder anderer Künstlerinnen, auch als Model vor der Kamera war sie häufiger zu sehen, eine Hermes-Handtasche wurde nach ihr benannt. Jane Birkin litt an Leukämie, im Juli 2023 starb sie in Paris.

Jane Birkin wird auf ewig verbunden bleiben mit dem Chanson „Je t’aime“, komponiert von Serge Gainsbourg. Der hatte das Lied bereits mit seiner ehemaligen Geliebten, der Schauspielerin Brigitte Bardot eingespielt; diese aber, die mittlerweile mit dem Playboy Gunter Sachs verheiratet war, bat den Komponisten, von einer Veröffentlichung abzusehen. Gainsbourg willigte ein und brachte das Lied dann 1969 mit seiner neuen Partnerin Jane Birkin als Couplet heraus. Das Lied hatte den beabsichtigten Skandaleffekt; wegen des unmissverständlichen orgasmischen Stöhnens Birkins wurde das Lied in Frankreich, England und Deutschland von den Radiostationen boykottiert, was es nur umso populärer machte.

Auf YouTube existieren einige Versionen dieses immergrünen Liedes, eine Altersverifizierung freilich wird dort ungeachtet des Inhalts nicht gefordert. Die Videosequenzen setzen Jane Birkin bewusst als Kindfrau in Szene, die sich mit dem 18 Jahre älteren Gainsbourg liebkost und mit ihm durch das Paris der späten 1960er Jahre schlendert. Die Melodie ist schleppend, die Orgel im Hintergrund leicht pathetisch, die Geigen schmalzig, der Text allegorisch eindeutig. Die Grenzüberschreitung erfährt das Stück durch das international verständliche Stöhnen, das die Liebe als Sex begleitet und den Orgasmus einleitet. Das wird dann selbst im Frankreich der Libertinage zu viel, die körperliche weibliche Andeutung ist dem Publikum offenbar schwerer zuzumuten als etwa männliche Protzereien.

Bereits 1965 hatte Serge Gainsbourg der jungen France Gall mit „Poupée de cire, poupée de son“ ihr Siegerlied für den Grand Prix d’Eurovision de la Chanson geschrieben. Frauen wurden in Frankreich zu dieser Zeit bevorzugt als Lolitas ausgestellt, jung, naiv und unschuldig tuend, dabei mit ihren Reizen die Männer um den Verstand bringend. Dieses Kostüm bekam auch Jane Birkin um die zierlichen Schultern gelegt; mit ihren großen Augen, dem kindlichen Lachen, dem langen dunkelblonden Haar und dem schlanken Körper passte sie bestens in diese Rolle, der sie sich bereitwillig fügte. Die Engländerin Birkin wurde trotz ihres Akzents vom französischen Publikum geliebt, so wie Romy Schneider, Juliette Greco, Catherine Deneuve und Brigitte Bardot. Ihre dauerjugendliche Schönheit lebt in ihrer Tochter Charlotte Gainsbourg, ebenfalls eine Schauspielerin, weiter.

Man könnte es sich leicht machen und Jane Birkin auf die Pose der Muse an der Seite Serge Gainsbourgs reduzieren, als Projektionsfläche männlicher heterosexueller Phantasien. Doch das verkennte Birkins Stärke als unabhängige Frau, die allein durch ihr Dasein wirkt und Bühne wie Leinwand vollends einnimmt. Die Londonerin in Paris war jahrelang Teil des französischen Jet-Sets, war an der Côte d’Azur ebenso zuhause wie am Strand der Bretagne sowie in den Bistros des Quartier Latin und den Boutiquen der Rive Gauche. Sie steht für ein Frankreich, das noch nicht überschwemmt ist von den Beurs aus der Banlieue. Diese versunkene Grande Nation der 1960er und 70er Jahre lebt weiter im Chanson „Je t’aime“, der unweigerlich zur Beschwörungsformel eines sorgenfreien Lebens wird. Merci Birkin, farewell Jane!