Populismus

Der Begriff des Populismus hat in der politischen Diskussion keinen guten Klang. Populisten stehen im Verdacht, komplizierte Zusammenhänge verbal zu vereinfachen und Vorurteile zu bedienen, ohne konkrete Lösungen anzubieten. Als anfällig für den Populismus gelten sozial abgehängte Menschen in prekären Arbeits- und Wohnverhältnissen, die sich von den Optionen einer offenen Gesellschaft überfordert fühlen und bereitwillig Sündenböcke für ihre verzweifelte Lage akzeptieren.

Die Etymologie des Populismus hingegen hält mehrere Deutungen bereit. Die Wurzel des „Populären“ (aus dem Französischen populaire resp. dem Lateinischen popularis) verweist auf das „zum Volk gehörig“; der Dornseiff verortet den „Populisten“ in der Nachbarschaft des Claqueurs, des Marktschreiers und des Schmeichlers, während „populistisch“ als eine inhaltlich nicht weiter gefüllte politische Ausrichtung neben links und rechts, christdemokratisch und kommunistisch geführt wird.

Vom Volk geht in der repräsentativen Demokratie alle Macht aus, es ist nach modernem Verständnis der Souverän, in dessen Namen jedes Gericht seine Urteile verkündet. Für einen Politiker ist es durchaus eine Auszeichnung, als „volksnah“ zu gelten, demonstriert er doch dergestalt ein Gespür für die Nöte und Sorgen der Wähler. Problematisch wird es, wenn von dem einen homogenen Volk die Rede ist, ohne seine unterschiedlichen Milieus, Klassen und Schichten zu berücksichtigen.

Politische Kommunikation ist notwendig vergröbernd, zuspitzend, weglassend. In diesem Sinne äußern sich Barack Obama und Angela Merkel nicht weniger populistisch als Marine Le Pen und Donald Trump. Plumpe Floskeln à la „Yes we can“ oder „Wir schaffen das“ sind zunächst nichts weiter als Versprechen auf eine rosige Zukunft, allerdings sind sie auch Messlatten für das folgende politische Handeln. Ein solches dann als alternativlos zu deklarieren, ist so falsch wie feige.

In Deutschland ist die Bereitschaft der politischen Elite zu mehr Elementen direkter Demokratie nicht sonderlich ausgeprägt, zu tief sitzen die traumatischen Erfahrungen der Weimarer Republik, die (auch) an einem strukturell schwachen Parlament zugrunde gegangen ist. Hierzulande muss dieser Logik zufolge das „Volk“ vor allem kontrolliert und gezügelt werden, um es vor sich selbst zu schützen – ein kaum verhohlenes Misstrauen der Repräsentanten vor dem Souverän.

Es bleibt eine empirische Tatsache, dass sich Teile des „Volkes“ von den Regierenden nicht länger vertreten fühlen, vor allem aktuell in der Flüchtlingskrise. Es ist wenig trennscharf, das Aufgreifen dieser Ängste als populistisch zu diffamieren; es wäre konsequent, auf den Begriff in der Diskussion zu verzichten. Genauer wäre jener des Protestes, weil er mit der Regierung einen konkreten Adressaten benennte, der sich bei kommenden Wahlen dem Volk gegenüber zu verantworten hätte.